„Eine hohe Bereitschaft zum Streik“

■ Klaus Pankau, Vorsitzender der Berliner IG Bau, zur Krise in der Baubranche und den derzeitigen Tarifverhandlungen. Gegen den Mißbrauch der Dienstleistungsfreiheit

taz: Herr Pankau, die Fachgemeinschaft Bau droht mit einem „tariflosen Zustand“, falls die Schlichtungsverhandlungen im Baugewerbe scheitern und es keinen Mindestlohn für EU-Bauarbeiter geben wird.

Klaus Pankau: In einem Arbeitskampf herrscht immer tarifloser Zustand. Das ist also keine Drohung. Falls kein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wird, gibt es außerdem die Nachwirkung des alten Tarifvertrags. Ich gehe aber davon aus, daß die Fachgemeinschaft Bau zur Vernunft kommt.

Mit einem Mindestlohn soll die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Firmen verbessert werden. Was ist Ihre Forderung?

Wir wollen die niedrigste Tarifgruppe als Mindestlohn haben, also in Berlin 20,24 Mark die Stunde und in Brandenburg 18,63 Mark. Die Bauarbeitgeber wollen einen Mindestlohn, der deutlich darunter liegt. Doch das würde den Wettbewerbsvorteil der ausländischen Firmen nicht aufheben.

Gibt es in diesem Tarifstreit überhaupt klare Fronten? Eigentlich müßten Sie doch mit der Fachgemeinschaft gegen die Bauindustrie zu Felde ziehen, die vom Lohndumping profitiert.

Die Verhandlungen sind deshalb kompliziert, weil zwei Dinge parallel verhandelt werden: die Lohn- und Gehaltsrunde und die Verhandlungen um den Entsendelohn. Beim Entsendelohn hat die Fachgemeinschaft bisher eine kompromißbereitere Position eingenommen als zum Beispiel die Bauindustrie. Vor allem die Bauindustrie profitiert ja von den Billiglöhnen. Dagegen ist mit der Bauindustrie im Vergleich zur Fachgemeinschaft eher eine normale Lohnrunde umzusetzen.

Was ist Ihre Forderung in der Lohnrunde?

Die Forderungen der IG Bau sind fünf Prozent und selbstverständlich das Einhalten der bestehenden Tarifverträge. Wir haben aber auch gesagt, daß wir von diesen Forderungen Abstriche machen, wenn uns Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung, die kontrollierbar sind, von den Arbeitgebern vorgeschlagen werden. Das ist bis heute nicht geschehen.

Was bieten die Arbeitgeber?

Ein konkretes Angebot liegt nicht auf dem Tisch. Die Arbeitgeber wollen beim 13. Monatseinkommen, das es nur in den Altbundesländern gibt, Abstriche machen. Sie wollen für die jungen Facharbeiter die Eingruppierung verschlechtern und für die Lehrlinge die Ausbildungsvergütung reduzieren. Und sie wollen die Tarifangleichung verzögern.

Die Baubranche befindet sich im Wandel. Was heißt das für die Gewerkschaft?

Seit September 1995 verlieren wir pro Monat 1.000 gewerbliche einheimische Arbeitnehmer. Wir haben mittlerweile etwa 40.000 gewerbliche Bauarbeitnehmer im Bauhauptgewerbe in Berlin. Das ist ein absoluter Tiefstand bei gleichzeitiger Verdoppelung des Bauvolumens in den vergangenen drei Jahren. Es geht uns nicht um die Konkurrenz der Bauarbeiter, sondern darum, über einen Mindestlohn den Wettbewerbsvorteil der ausländischen Firmen aufzuheben. Wir haben nichts dagegen, wenn die Bauarbeiter, die aus Griechenland oder aus Portugal nach Berlin kommen, zu den hiesigen Konditionen Arbeit aufnehmen. Das ist Niederlassungsfreiheit. Wir haben etwas gegen den Mißbrauch der grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit. Es gibt Bauindustriebetriebe in Deutschland, die in Portugal Niederlassungen gegründet haben, die nur den Zweck haben, dort Arbeitskräfte anzuheuern und zu Billigstkonditionen nach Deutschland zu bringen.

Die Schlichtung hat heute zu keinem Ergebnis geführt. Wann gibt es Streik?

Der nächste Schlichtungstermin ist der 10. April. Nach einem Schlichtungsspruch haben beide Seiten zwei Wochen Zeit, um zu entscheiden, ob sie ihn annehmen oder nicht. Im Falle eines Scheiterns kann nach einer erfolgreichen Urabstimmung mit dem Streik begonnen werden. Es gibt unter den einheimischen Beschäftigten eine hohe Bereitschaft, in den Arbeitskampf zu gehen. Ich bin mir sicher, daß wir ihn mit aller Härte führen können.

Wie ist die Stimmung unter den ausländischen Bauarbeitern?

Diejenigen, die gewerkschaftlich organisiert sind, sind über unsere Lage informiert und akzeptieren unsere Schritte. Auf der anderen Seite befürchtet ein Großteil der Kollegen, die bewußt in einem kulturellen Vakuum gehalten werden, natürlich Nachteile. Interview: wera/koch