Gespräch unter alten Jägern Von Karl Wegmann

Eigentlich hatte sich Willy ja geschworen, nie und nimmer asiatische Zierfische in sein Feuchtbiotop zu lassen. Aber seine zweijährige Tochter Nora war anderer Meinung, und Willy kämpft keinen Kampf, den er nicht gewinnen kann. Also wurden im letzten Frühjahr Goldfische angeschafft.

Vergangene Woche waren sie immer noch da – als organgefarbene Sprenkel in einer langsam tauenden Eisfläche. Sah hübsch aus, Nora fand's auch lustig, doch Willy kam ins Grübeln. „Sie sind so sinnlos gestorben, wie sie gelebt haben“, philosophierte er düster und starrte aufs Eis. „Genau“, gab ich ihm recht, „tiefgefrorener Fisch, den man nicht einmal essen kann, ist wirklich deprimierend.“

Dann versuchte ich ihn aufzuheitern. „Erinnerst du dich noch an die 70er, wie wir zusammen mit Konscho und Hermann Karnickel gejagt haben?“ Willy lächelte. „O Mann“, sagte er „war 'ne verdammt kitzlige Angelegenheit.“ Das stimmte, denn damals jagten wir Wildkaninchen mit einem alten Opel Kadett. Die Karre gehörte Hermann. Nachts fuhren wir damit die Feldwege ab. Es kam darauf an, einen zu erwischen, der die richtige Größe hatte, auf dem Weg saß und geblendet in die Scheinwerfer glotzte. Danach war alles eine Sache von Hermanns Fahrkunst. Er mußte Meister Lampe genau mit dem Nummernschild am Kopf treffen. Klappte prima, und ich schwöre, wir haben nie etwas umgebracht, was wir nicht nachher auch aufgegessen haben. Willys Vater zog das Tier ab, und meine Mutter bereitete es zu. Als Beilage gab's immer eine Palette Dosenbier von Aldi. Lecker!

Natürlich machten wir uns strafbar, keine Frage, wir waren Wilddiebe. Doch wir waren längst nicht so schlimm wie Klaus aus dieser seltsamen WG, halt, damals hieß das noch „Kommune“. Klaus zog sich also einen schlabbrigen Bundeswehrparka an, versteckte darunter eine Harpune und besuchte den Stadtpark. Dort ging er zum Entengehege, versicherte sich, das niemand in der Nähe war, und harpunierte blitzschnell einen Vogel. Der verschwand dann auch unter seinem Parka, und abends gab's in der Kommune Pekingente. Allerdings hatte Klaus nicht die geringste Ahnung von Geflügel. Er dachte wohl, „das Auge ißt mit“, darum schoß er immer ein besonders farbenprächtiges Exemplar, das sich nach seiner Zubereitung meist als besonders zähe Angelegenheit darstellte. Die Stadtparkverwalter werden sich wahrscheinlich heute noch fragen, wie und wohin ihre seltenen Exoten verschwunden sind, doch Klaus hatte bald die Schnauze voll von den gehässigen Kommentaren seiner Mitbewohner und stellte seine Stadtparkbesuche ein. Die Komunarden waren übrigens alle neidisch auf unsere Karnickelfresserei, aber sie hatten Pech, sie hatten kein Auto.

Willy wurde durch die alten Geschichten wieder etwas lockerer. „Ach ja“, lachte er, „das waren noch Zeiten, als wir unser Essen selbst erlegten. Heute gehen wir zum Biometzger und geben viel Geld aus für Wurst, die wie Pappe aussieht.“ Ich nickte, konnte aber nicht zustimmen, ich steh' immer noch auf Currywurst. „Was soll's“ meinte Willy, holte sich eine Axt und begann, die Goldfische freizuhacken. „Wenn ich's recht überlege“, rief er, „geben diese Tiefkühlkameraden doch noch ein prima Katzenfutter ab!“