Emanzipation im Exil

Doña Rosa legt großen Wert auf ihr Äußeres, nie würde sie ihre Tracht mit den vielen Spitzen an der Bluse und dem bunten Rock gegen „amerikanische Kleidung“ eintauschen. Sie ist eine stolze Quiché Indigena. Augen, Ohrringe und Silberzähne, alles scheint zu funkeln, wenn sie von „Mama Maquin“ erzählt, der Organisation, die guatemaltekische Flüchtlingsfrauen 1990 im mexikanischen Exil gründeten. Der Name ist eine Hommage an die berühmte Compañera Mama Maquin, die in Guatemala für ihr Recht auf Land kämpfte und deshalb vom Militär ermordet wurde.

Seit anderthalb Jahren lebt Doña Rosa wieder in ihrer alten Gemeinde in Guatemala. Wie die meisten DorfbewohnerInnen war sie 1982 vor dem Militär nach Mexiko geflohen. Doña Rosa bewirtschaftet nun mit ihrem Sohn die Parzelle ihres verstorbenen Mannes und besucht jede Woche die Versammlungen ihrer Kooperative, denn sie ist Genossenschaftlerin geworden. Mit ihrem Schwiegersohn backt sie Brot und Süßgebäck in einem selbstgebauten Ofen, um das Einkommen der beiden Familien mit insgesamt neun Kindern aufzubessern. Ferner ist sie eine der Dorfhebammen, und außerdem reist sie als „Mama-Maquin“-Vertreterin ihrer Gemeinde zu den regelmäßigen regionalen und überregionalen Treffen ihrer Organisation.

Kaum vorstellbar, daß diese inzwischen so geschäftstüchtige Frau einst, wie die Tradition es vorschrieb, nur für die Tortillazubereitung zuständig war, beinahe täglich von ihrem Mann geprügelt wurde und nichts zu sagen hatte. „Das ist ein großes Problem für die Frauen hier, sie trauen sich nicht zu sprechen“, meint dazu ihre Tochter Florencia. „Es ist zwar alles in ihren Köpfen drin, aber es kommt nicht raus.“ Darum ist „Mama Maquin“ auch so bedeutend für die Frauen: als ein Forum zum Austausch, ein Ort, der über ihre Rechte aufklärt und eine Organisation, die die Interessen der Frauen vertritt.

Zwölf Jahre Exil in Mexiko haben das Leben der Flüchtlinge sehr beeinflußt und sie politisiert. Die Frauen haben im Exil begriffen, daß sie die Leidtragenden und Opfer eines Bürgerkrieges zwischen Regierung und Guerilla sind. Verfolgt, weil sie Guerilleros gebären könnten, einsam, weil ihre Kinder oder Männer ermordet oder entführt wurden, krank, weil die Flucht beschwerlich war – die Palette der traumatischen Erfahrungen reicht vom Verlust allen Besitzes bis zu grausamen Massakern.

Die Flüchtlinge verstehen die Rückkehr in ihre Heimat als Kampf für die Respektierung der Menschenrechte in Guatemala. So ist besonders die Einflußnahme auf die Konditionen dieser Rückkehr ein Anliegen der Frauenorganisation. Priorität hat für „Mama Maquin“ die Beteiligung von Frauen an Entscheidungen, die das Leben in den Gemeinden und die Politik in Guatemala betreffen. „Wir möchten an der Seite der Männer die uns zustehende aktive Rolle einnehmen und Frieden und Demokratie in Guatemala haben“, erklärt eine Sprecherin.

In Workshops thematisieren die Frauen von „Mama Maquin“ die alltägliche Diskriminierung und klären über Gewalt gegen Frauen und ihre Rechte auf. „Es ist wichtig, daß die Frauen erfahren, daß ihre Arbeit zu Hause etwas wert ist“, sagt eine Teilnehmerin. „Viele denken noch immer, daß nur der Mann etwas wert ist und die Frau alles ertragen muß.“

Ausbildung, besonders die Alphabetisierung der Frauen ist ein weiterer Schwerpunkt von „Mama Maquin“. Denn nicht lesen und schreiben zu können verstärkt das Gefühl der Frauen, unterlegen und wertlos zu sein. Regierungsunabhängige Organisationen fördern Kurse für Hebammen und Gesundheitshelferinnen. Mit Gemüseanbau, Hühnerzucht und dem Betrieb von Maismühlen versuchen die Frauen ihre Ernährung zu verbessern und zu erleichtern.

Auch für die Erhaltung der eigenen Maya-Kultur setzt sich „Mama-Maquin“ ein. Zwar haben viele Frauen in Mexiko Spanisch gelernt, doch intensive Gespräche führen sie immer noch in ihren eigenen Sprachen.