Der philosophische Flaneur ist tot

■ Hans Blumenberg, Begründer der „Metaphorologie“, war einer der letzten Universalgelehrten. Er gehörte zu den anregendsten Denkern der Bundesrepublik

Berlin (taz) – Der Philosoph Hans Blumenberg ist bereits am Donnerstag letzter Woche im Alter von fünfundsiebzig Jahren gestorben. Das gab seine Familie gestern bekannt.

Blumenberg war einer der bedeutendsten Philosophen der Bundesrepublik, einige seiner Bücher wurden – für akademische Verhältnisse – Renner, und dennoch blieb ihm der ganz große Ruhm verwehrt. Das mag daran gelegen haben, daß er sich quer zu seiner Disziplin stellte und deren Grenzen überschritt.

Blumenberg war ein philosophischer Flaneur, der sich nicht an den Kanon seiner Profession hielt, sondern auch Literatur, Geschichte und Naturwissenschaft durchstreifte. Sein universalgelehrtes Selbstdenkertum paßte kaum zu einer Zeit, in der die Philosophie wissenschaftsförmig zu werden versuchte. Blumenberg war eigentlich eine unmögliche Figur: Gelehrt wie ein Systemdenker, war es doch sein Ehrgeiz, die Unmöglichkeit des Systemdenkens unter den Bedingungen einer multiperspektivischen Welt zu erweisen.

Blumenberg nannte seine Wissenschaft „Metaphorologie“. Er verstand darunter eine Lektüre der Bilder, die durch die Geschichte des Wissens wandern und an denen sich immer wieder Neues ankristallisiert. Blumenberg konnte in einer Spurensuche nach dem Stichwort „Höhle“ die Cro- Magnon-Kultur, das Platonische Höhlengleichnis und den Führerbunker in überraschende Zusammenhänge bringen. Kein anderer deutscher Philosoph hätte sich dergleichen zugetraut. Stünde solche Assoziationslust hierzulande nicht unter dem Verdacht des Unseriösen, Blumenberg hätte ein deutscher Baudrillard, ein deutscher Lyotard werden können.

Allerdings war Blumenbergs Denken oft auch in Gefahr, bildungshuberisch und steril geistreich zu werden. So etwa klang Metaphorologie in seinem erfolgreichen Spätwerk „Die Sorge geht über den Fluß“ (1987): „Man geht zu Grunde, indem man versinkt. Man geht der Sache auf den Grund, indem man sich in sie versenkt. Für die Gescheiterten war seit jeher der Grund des Meeres der endgültige Halt, den keiner lebend finden konnte. Zwar eine Letztbegründung, aber in dem ironischen Verstande, daß von ihr begründet zu Begründendem weder ausgegangen noch aufgestiegen werden konnte.“

Der Materialreichtum seiner monumentalen Untersuchungen über „Die Legitimität der Neuzeit“ (1966), über die „Genesis der kopernikanischen Welt“ (1975) und die „Arbeit am Mythos“ (1979) machte sie jedoch unbeschadet solcher Wortklingelei zu wahren Fundgruben. Jörg Lau