Sparsam geht die Welt zugrunde

■ Der Jahresbericht des Rechnungshofs kritisiert die Staatsoper Schablonenhafte Prüfmethoden machen den Bericht zweifelhaft

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche... nur der Rechnungshof übt weiter frostige Kritik. Wenige Wochen nach seiner formalistischen Sonderrüge zur Kunstinsel-Finanzierung haben sich Hamburgs oberste Haushaltsprüfer in ihrem Jahresbericht 1995 die Oper zur Brust genommen. In dem der taz vorliegenden Dokument, das Dienstag im Senat diskutiert wird, zeigt sich wiederum die Unsinnigkeit schablonenhafter Prüfungsmethoden sowie der Gleichbehandlung von künstlerischen Tendenzbetrieben mit Wirtschaftsunternehmen.

Gerügt werden hauptsächlich folgende vier Punkte: die „überfällige“ Ausgabenkontrolle, die angeblich personell überbesetzten Werkstätten, die zu großzügige Vergabepraxis von Presse- und Ehrenkarten und die fehlenden Konsequenzen der Kulturbehörde aus früheren Rechnungshofberichten zu den Staatstheatern.

Nun ist es sicherlich nicht so, daß es an der Staatsoper keine Verschwendung, keine Pfründewirtschaft gäbe, die es zu kritisieren gelte. Ausstattungsschwelgereien, wie die sprichwörtlichen vergoldeten Schuhe für das gesamte Ballettensemble, die dann doch nie zur Aufführung kamen, oder die diversen Nebentätigkeiten der Orchestermusiker, die teilweise als Lehrkräfte doppelte Gehälter kassieren, wären der Anklage wert.

Stattdessen aber rügt der Bericht die Behörde für Punkte, in denen man sich prinzipiell völlig einig ist (Effizienzsteigerung, bessere Kostenkontrolle) sowie, wie im Fall der Presse- und Ehrenkarten, für die Diskrepanz zu Senatsbeschlüssen von 1972. Damals hatte dieser ein Kontingent von 200 Freikarten festgelegt, was in keinem Verhältnis zur heutigen Presselandschaft mehr steht.

Auch betrachtet der Rechnungshof die Staatsoper nicht von der Effizienzseite her, denn mit 29 Prozent Eigenfinanzierungsanteil steht das Hamburger Opernhaus einsam an der Spitze aller großen deutschen Musiktheater. Auch sind im Untersuchungszeitraum enorme Zuwachsraten erarbeitet worden: Bei den Vorstellungs- und Besucherzahlen 13 bzw. 8 und bei den selbsterwirtschafteten Einnahmen sogar 20 Prozent (32 Mio. Mark). Kein Wort davon in dem Rechnungshofbericht.

Daß der statt dessen alte Kamellen wie die Privatisierung von Werkstattaufgaben und die Freikartenregelung, die beide bereits anhand des Berichtes zum Thalia-Theater 1994 von Fachleuten als falscher Nutzen dargestellt wurden, wieder hervorholt, um sie erneut anzumahnen, zeigt eigentlich nur, daß die amtlichen Knauserer von ihrem Prüfobjekt nicht viel wissen.

Wer auch nur einmal mit Hamburgs Intendanten oder ihren kaufmännischen Leitern spricht, erhält ein so drastisches wie plastisches Bild von den dortigen Sparbemühungen. Daß man aber auf ein provinzielles, künstlerisches Niveau absinkt, das einscheidende Folgen auch für die so geliebte Hamburger „Standortpolitik“ haben wird, wenn man, wie der Bericht es fordert, „nur das zwingend Notwendige finanziert“, ist im Buchhalter-Kosmos als Gedanke scheinbar nicht vorgesehen. Till Briegleb