Urban ist noch nicht über den Berg

■ Trotz Bettenabbaus und Kassendrohung hält der Senat am Kreuzberger Urbankrankenhaus fest. Neubau, schrittweise Sanierung oder Verkleinerung: Entscheidung über Sanierungskonzept fällt in vier Wochen

Der graue Riese am Landwehrkanal, aus Kieselsteinplatten vor 25 Jahren hochgezogen, sieht verwittert aus. Die Fertigplatten des Krankenhausneubaus am Urban in Kreuzberg wurden für eine Million Mark notdürftig gesichert, sie drohten im vergangenen Jahr abzufallen. Die schwarzen Fensterrahmen der monotonen Steinfassade schließen immer noch nicht dicht, und durch das breite Flachdach regnet es rein. Neu ist nur ein strahlendweißes Stofftransparent über dem Eingang: Sanierung statt Abriß.

Vor dieser Alternative steht das Kiezkrankenhaus, fürchtet die Belegschaft. Ein Gutachten der Senatsverwaltung für Gesundheit hält mehrere Sanierungsvarianten für das Haus mit seinen fast 870 Betten für möglich: entweder einen 430 Millionen Mark teuren Neubau mit 730 oder 600 Betten oder eine Vollsanierung in vier Stufen bis ins Jahr 2015, die nur 375 Millionen Mark kostet. Die dritte Möglichkeit ist ein Neubau mit nur 400 Betten für 320 Millionen Mark.

Doch da ist der ärtzliche Leiter des Urbankrankenhauses, Dieter Griebner, vor: „Das wäre fast eine Halbierung unserer Bettenzahl!“ empört er sich. Zuviel für das Großkrankenhaus im Kiez. Jährlich kommen 1.500 Drogenabhängige in die Rettungsstelle, hinzu kommen weit mehr Alkoholabhängige, psychisch Kranke, Obdachlose und verarmte Alte als in anderen Bezirken. Griebner favorisiert, wie auch die Kreuzberger Gesundheitsstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), eine Sanierung des Neubaus.

Bei einem zusammengestrichenen Investitionsvolumen von insgesamt 495 Millionen Mark pro Jahr ist eine Krankenhauserneuerung für die Gesundheitssenatorin keine leichte Übung. Doch Im Parlament hat sie zugesagt: „Ein Krankenhaus am Urban wird es weiterhin geben.“

Trotz der Bestandsgarantie durch die Gesundheitsverwaltung „wiege ich mich nicht in Sicherheit“, erklärt der ärztliche Direktor. Denn unklar ist, in welcher Form das große Kiezkrankenhaus überleben kann. Zum einen bleibt das zentrale Problem der zu hohen Bettenzahl in Berlin. 2.000 zusätzliche Betten müssen laut Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU bis 1999 abgebaut werden. Im vergangen Jahr hatte das Haus am Landwehrkanal 934 Betten. 1997 werden es nur noch 842 sein. Aber in der Rettungsstation seien Kürzungen unmöglich, „da 70 Prozent unserer Patienten erst kommen, wenn sie schon schwer krank sind“, so Griebner.

Zum anderen machen die Krankenkassen gegen die städtischen Häuser mobil. Die Kassen beklagen, die Kosten für den Krankenhausaufenthalt seien in Berlin im Vergleich zum Bundesdurchschnitt zu hoch. Die Gesundheitsverwaltung soll im nächsten Jahr 250 Millionen Mark des 2,5 Milliarden Mark großen Krankenhausetats einsparen, fordern die Kassen. Sie drohen dem Senat, andernfalls die Versorgungsverträge mit fünf städtischen Klinken im Süden Berlins zu kündigen, wie sie es mit vier freien Trägern bereits praktiziert haben. Davon ist auch das Urbankrankenhaus bedroht. Denn bei dem hohen Sanierungsbedarf müsse man sich eine Investition überlegen, begründet der Sprecher des Verbands der Angestellten-Krankenkassen, Andreas Knische, den Vorschlag, beim Urban zu sparen.

Auch die Verwaltung ist sich noch nicht sicher, wie das Krankenhaus zu halten sein wird. Staatssekretär Detlef Orwat möchte, daß länger gearbeitet wird, das Krankenhaus spricht bereits jetzt von „Leistungsverdichtung“. Aber der Senat zielt weiter, er möchte ein schlankes Management. „Dabei gehe ich nicht von der Bettenzahl aus, sondern von den Fachdisziplinen und den Kapazitäten, die nötig sind“, erklärt Orwat. Bis Ende Mai soll der Senat den Krankenkassen ein Sparkonzept vorlegen. In vier bis sechs Wochen gibt Gesundheitssenatorin Beate Hübner zuvor ihre Entscheidung über ein Sanierungskonzept bekannt. Torsten Teichmann