Priebke-Prozeß findet statt

Der ehemalige SS-Mann muß wegen maßgeblicher Beteiligung am Massaker in den Ardeatinischen Höhlen mit lebenslänglicher Haft rechnen  ■ Aus Rom Werner Raith

Der im Mai 1994 in Argentinien festgenommene und später an Italien ausgelieferte ehemalige SS- Mann Erich Priebke, 83, muß mehr als ein halbes Jahrhundert nach der widerrechtlichen Erschießung von Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom wegen „Mordes in besonders schweren Fällen“ und „Massakers“ vor Gericht: Der Voruntersuchungsrichter beim Militärtribunal, zuständig für die Annahme strafrechtlicher Klagen bei Gericht, hat am Donnerstag abend entschieden, daß die entsprechenden Beweise ein Verfahren rechtfertigen – und daß die angeklagten Delikte noch nicht verjährt sind.

Unklar ist nun lediglich, ob Priebke vor ein Militärgericht muß oder vor ein ordentliches; darüber ist eine Anfrage des Untersuchungsrichters beim obersten Gerichtshof Italiens, der Kassation, anhängig. Nach der in den nächsten Tagen fälligen Entscheidung wird der Termin für das Gerichtsverfahren bestimmt.

Priebke, der sich während der – nichtöffentlichen – Verhandlung vor dem Voruntersuchungsrichter mit „eindeutigen Befehlen“ rechtfertigte, „denen ich zu gehorchen hatte, sonst wäre ich erschossen worden“, wird von den italienischen Behörden beschuldigt, bei der vom SS-Sturmbannführer Herbert Kappler am 24. März 1944 angeordneten Racheaktion für einen Partisanenangriff mitgewirkt zu haben: 335 Menschen wurden, teilweise aus dem jüdischen Ghetto, teilweise aus Krankenhäuser, herausgeholt und von einer Exekutionseinheit in den ehemaligen Steinbrüchen, etwa zehn Kilometer südlich von Rom, erschossen. Kappler war bereits nach dem Krieg zu lebenslänglich verurteilt worden, in den 70er Jahren jedoch während eines Krankenhausaufenthaltes durch seine Frau befreit worden. Bis zu seinem Tod lebte er unbehelligt in Deutschland.

Dabei hatte die seinerzeitige Anklage – die nun auch für Priebke gilt und ihn mit lebenslänglicher Haft bedroht – nicht die Geiselerschießung als solche strafrelevant betrachtet, sondern deren „Überziehung“: Nach dem Kriegsrecht dürfen als Vergeltung gegen Partisanenangriffe für jeden gefallenen Soldaten bis zu zehn Geiseln, auch Zivilisten, umgebracht werden.

Bei dem fraglichen Angriff waren 32 Männer getötet worden, was nach Kriegsrecht und Maßgabe eines speziellen „Führerbefehles“ 320 Erschießungen „gerechtfertigt“ hätte. Doch Kappler hatte für einen später im Krankenhaus gestorbenen italienischen Polizisten, der mit den Deutschen zusammengearbeitet hatte, noch zehn zusätzliche Zivilisten in die Ardeatinischen Höhlen bringen lassen – und sich am Ende bei der Gesamtzahl der Morde auch noch um fünf „nach oben“ verzählt.

Priebke hat nach seiner Verhaftung zunächst bestritten, selbst an der Auswahl der Geiseln und der Erschießung mitgewirkt zu haben; mittlerweile gibt er zwei persönliche Exekutionen zu, beruft sich aber noch immer auf den „eindeutigen Befehl von oben“.

itleid für seine Opfer oder deren Hinterbliebene scheint ihm noch immer fremd – er sieht derlei allenfalls als „nachträgliche Gefühle an, aber damals war eben Krieg“. Vergangen sind ihm allerdings süffisante Sprüche, wie er sie noch in Argentinien von sich gegeben hatte, etwa den, daß „die italienische Justiz bekanntlich viel zu wirr ist, ein ordentliches Verfahren einzuleiten“.

Die Entscheidung des Voruntersuchungsrichters über die Prozeßeröffnung war gleichwohl bis zuletzt offen gewesen – so sehr, daß die als Nebenkläger zugelassenen Hinterbliebenen noch am Mittwoch abend Alarm schlugen: Es ging darum, ob die Erschießungen als Mord oder als „Mord in besonders schweren Fällen“ eingeordnet wurden – im ersteren Falle wären sie verjährt gewesen.