■ Mit dem freilaufenden Ei auf du und du
: Verräterische Spuren

Hannover (taz) – Der aufgeklärte Konsument weiß um die Qualen der Käfighaltung, die aufgeklärte Konsumentin auch. Beide entscheiden sich an Ostern für glückliche Hühner, wenn zwischen dem normalen Hühnerquäler-Ei, dem Ei „aus Bodenhaltung“ oder dem „freilaufenden“ zu wählen ist. Daß Eier weder frei sind noch laufen, sondern nur rollen können, hat die Verbraucherzentrale Niedersachsen für eine vorösterliche Untersuchung genutzt. Das Ergebnis: Viele, die in ihre Naturfarben nur Eier von lustig scharrenden Hühnern zu tauchen glauben, unterstützen in Wahrheit die Käfighaltung.

Gemeinsam mit dem Veterinäramt Helmstedt hat die Verbraucherzentrale den Inhalt von 39 Eierpaketen aus angeblich artgerechter Tierhaltung untersucht. In jedem zweiten Karton fanden sich Eier mit sogenannten Abrollspuren, die den dringenden Verdacht der Käfighaltung begründen. „Wenn wir Abrollspuren finden, muß das Ei sofort nach dem Legen über ein Drahtgitter gerollt sein“, sagt Hinrich Sacht vom Veterinäramt Helmstedt. Denn nur in den ersten zwanzig Sekunden nach dem Legen ist die natürliche Wachsschicht auf den Schalen die sogenannte „Cutikula“, noch so weich, daß sich Abrollringe eindrücken können.

Nur wenn freilaufende Hühner zum Legen in einen Drahtkäfig steigen müßten, was auch nicht artgerecht wäre, könnten ihre Eier theoretisch Abrollspuren aufweisen. Da sich diese Ausflucht leicht durch eine Besichtigung der Ställe widerlegen läßt, hat die Verbraucherzentrale ihre Ergebnisse an die Aufsichtsbehörden weitergeleitet. Denn niemand ist vor unterschobenen Käfig-Eiern gefeit, die den Schwindlern einen Zugewinn von bis zu dreißig Pfennig pro Stück einbringen. Ob auf dem Wochenmarkt, direkt vom Bauern oder im Supermarkt gekauft: In jeder zweiten Packung befanden sich Eier mit Käfigspuren.

Sogar vier Proben zweier ökologischer Landwirte wiesen Zeichnungen auf, die auf Käfigspuren hindeuten. An die Theorie der Öko-Eierproduzenten, daß bei ihnen die Eier nach dem artgerechten Legen sofort über eine Drahtscheine rollen, mag die Verbraucherzentrale nicht glauben. Jürgen Voges