Bei der Weltbank knirscht es im morschen Gebälk

■ Ihr Präsident James Wolfensohn wirft dem eigenen Management Zynismus vor

Washington (taz ) – „Vielleicht bin ich ja auch nur paranoid, das kann man nie ausschließen.“ Weltbankpräsident James Wolfensohn redete mit seinen Untergebenen Tacheles. Die Alternative: Entweder seien viele Weltbankmanager müde und zynisch – oder er sei krank. In einer Standpauke, die erst durchsickerte und dann offiziell publiziert wurde, erklärte der neue Chef seinen 300 Top-Angestellten am 12. März, sie seien zum eigentlichen Problem der Bank geworden. Während sogar die Nichtregierungsorganisationen langsam begännen, der Weltbank über den Weg zu trauen, gebe es drinnen eine „gläserne Wand“ : statt Enthusiasmus nur Zynismus. 40 Prozent der Angestellten hätten kein Vertrauen zu ihren Vorgesetzten. „Jeder muß etwas im Herzen haben, das ihn antreibt“, hielt Wolfensohn ihnen vor, „sonst sollten Sie nicht hier sein, Sie sollten bei der Deutschen Bank sein oder bei der Citibank.“

Programme zur Frauenförderung seien essentiell für die Bank, Umweltschutz, Erziehung und die soziale Dimension gehörten theoretisch zentral zur Arbeit der Weltbank. „Doch unter uns gesagt, hier dominieren die Männer und die aus dem Norden. Und ich denke, das ist nicht gut.“

Die Veröffentlichung des 55seitigen Protokolls der Standpauke und der anschließenden Diskussion ist ein einmaliger Vorgang bei der Weltbank. Auf ihren Fluren heißt es jetzt hinter vorgehaltener Hand, eine solche offene Bloßstellung sei doch nicht notwendig gewesen, Unzufriedenheit gebe es doch überall. Wolfensohn sieht das offensichtlich anders. „Wir haben das Potential, 4,5 Milliarden Menschen zu helfen.“ Das dürfe nicht verschenkt werden. In den vergangenen Jahren hatten Beobachter immer wieder die mangelnde Aufmerksamkeit der Weltbank für die sozialen Folgen ihrer Programme beklagt. Die Weltbankdirektoren selbst schimpften noch 1995, in den Länderberichten der Organisation fänden die sozialen Probleme der Programme nicht genug Beachtung.

Wolfensohn will den Laden, dem er bis zu Jahrtausendwende vorsteht, offenbar von innen umkrempeln. Für die Personalpolitik hat er „epochale Veränderungen“ angekündigt. Arbeitsergebnisse und Risikobereitschaft sollen mehr zählen. Mit mehr Fortbildung und institutionalisierten Möglichkeiten, die jeweils Vorgesetzen zu kritisieren, will er die 50 Jahre alte Institution auf Vordermann bringen. Wenn er nicht selbst vorher paranoid wird. Hermann-Josef Tenhagen