Länderfusion ohne neue Arbeitsplätze

■ Alle hoffen auf neue Jobs, aber keiner weiß genau in welcher Branche. DIW-Studie: Unternehmer sind skeptisch

Da schmunzelt sogar der Fusionsexperte der IHK. Nein, meint Volkmar Strauch von der Industrie- und Handelskammer zu Berlin, intensivere Lieferbeziehungen zwischen den Unternehmen in Berlin und Brandenburg seien durch die Länderehe nicht zu erwarten. „Unsere Mitgliedsunternehmen meinen zwar, daß sie untereinander dann mehr umsetzten“, sagt Strauch, „aber ich wäre da skeptisch.“ Schließlich muß die Fusion keine Stadtmauern und Zollgrenzen mehr niederreißen.

Mit dem Güteraustausch verhält es sich wie mit vielen anderen wirtschaftlichen Aspekten der geplanten Fusion: Kein seriöser Experte erwartet von der Fusion unmittelbare Effekte auf die Wirtschaft des Landes. So denken auch die Unternehmer in der Region, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) befragte: Die Fusion wirke sich indirekt und zeitlich versetzt aus, meinten die Vertreter der Berlin-Brandenburgischen Topfirmen von BMW- Rolls-Royce bis Rüdersdorfer Zement. Es gebe keine „fusionsbedingte Industrie“, hat DIW-Forscher Dieter Vesper der Enquete entnommen. Die Entwicklung der einzelnen Wirtschaftssektoren Handel, Dienstleistung, Industrie oder Handwerk gehe „eher fusionsunabhängig“ vonstatten.

Auch für eine bestimmte Branche lassen sich Fusionsgewinne nicht eindeutig ausmachen. Allenfalls Unternehmensberatungen erwarten eine Hausse, weil sie den Diätplan für den schlanken Staat zusammenstellen.

Die voluminöse Studie des DIW führt die wirtschaftlichen Effekte der Fusion beinahe ausschließlich auf Regionalplanung, Wirtschaftsförderung und Infrastrukturpolitik zurück. Es spreche viel dafür, daß jene Ballungsräume „langfristig deutliche Konkurrenzvorteile haben werden, die mit den Verkehrs- und Umweltproblemen am besten fertig werden“, analysiert das DIW. Die Chancen einer gemeinsamen Planung von Verkehrsströmen und Entwicklungszentren haben auch den brandenburgischen Umweltminister Matthias Platzeck vom Fusions-Saulus zum Paulus werden lassen.

Doch auch der Hinweis auf die in einem Land viel einfachere und demokratischere Landesplanung wirft bei näherem Hinsehen Fragen auf: Wer garantiert, daß eine Landesplanung aus einer Hand ökologischer ist? Daß sie, wie Dieter Vesper fordert, Infrastrukturen wie Brücken, Straßen, Krankenhäuser, Forschungseinrichtungen nicht doppelt aufbaut?

Die Regionalplanung müsse mehr Verbindlichkeit und eine andere Gewichtung bekommen, fordert daher Dorothee Saar vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Sie befürchtet gar, daß die Arbeitsteilung – hier das metropole Berlin für Arbeit und Kultur, da die märkische Region zum Entspannen – sich noch verstärken könne. „Die Fusion darf nicht Rechtfertigung dafür sein“, sagt Saar, „in Berlin weiter zu betonieren, weil man ja das Umland als Ausgleich hat.“ Nur mit einer verbindlicheren Raumordnung ließe sich zum Beispiel Zersiedelungen wirksam entgegensteuern. Aber auch der Speckgürtel um Berlin wächst unabhängig von der Fusion. Bestimmte transport- und flächenintensive Betriebe gehen an den Rand Berlins, meint Volkmar Strauch. Sie wanderten eben nicht an die Prignitz oder in die Lausitz, „weil sie die Nähe zur Stadt brauchen“.

Noch vor einiger Zeit hatte der Cottbusser Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Cezanne mit einer makroökonomischen Prognose Furore gemacht, in der er glaubte nachweisen zu können, daß 90.000 Jobs fusionsbedingt entstehen würden. In welchen Branchen der Aufschwung komme, vermag der Cottbusser Wirtschaftswissenschaftler zwar nicht zu zeigen. Er verlangt aber, daß er nicht gesteuert werde. 200 Milliarden Mark, so heißt es in einer weiteren Studie der Bankgesellschaft Berlin, stünden in den Startlöchern.

Anne-Catherine Coppens ist das rein Volkswirtschaftliche zu kleinherzig gedacht. „Für uns haben die symbolischen Geschichten eine große Rolle gespielt“, meint die Französin, die für den Fusionsmusterknaben Herlitz Werbung macht. Der traditionsreiche Berliner Papier- und Schreibwarenhersteller hat eine halbe Milliarde Mark in Brandenburg investiert – und trotzdem sein Stammhaus in Tegel nicht aufgegeben. Coppens sagt charmant voraus, daß etwas Neues, Schönes durch die Vereinigung der Länder entstehe. Sie wisse auch nicht genau, wie das zu begründen sei. Man müsse einfach Vertrauen haben. Christian Füller