■ Russische Armee kämpft in Tschetschenien einfach weiter
: Den Bock zum Gärtner gemacht

Seit am Vorabend des 1. April Präsident Jelzin der Welt seinen neuen Friedensplan vorstellte, geschah im Bergstaat Tschetschenien nichts wesentlich Neues. Weiter bombardiert die russische Armee Dörfer voller Zivilisten aus der Luft, darunter sogenannte „Inseln des Friedens“ wie das Dorf Schalaschi, dessen Bevölkerung gegenüber dem Föderalen Kommando ihren Verzicht auf Zusammenarbeit mit den Rebellen erklärt hatte. Die Behauptung eines russischen „Instituts für Wehrforschung“, hier operierten Dudajews eigene Leute zwecks „Provokation“ mit Bombern von türkischen Basen aus, ist buchstäblich weit hergeholt.

Befehle des russischen Präsidenten zur Einstellung der Bombardements wurden schließlich schon früher von seiner Armee ignoriert, zuletzt vor einem Jahr, als sich die Regierenden der Welt zur Siegesfeier am 9. Mai in Moskau versammelten. Naiv erscheint angesichts dessen Jelzins Plan, alle Kampfhandlungen „im großen Maßstab“ abzublasen und die regulären Truppen aus „ruhigen Zonen“ abzuziehen, sogenannte „Spezialoperationen“ aber weiterhin zuzulassen.

Die hungrigen und in ihrer Ehre verletzten russischen Soldaten in Tschetschenien sind einfach überfordert mit der Aufgabe, an manchen Punkten weiterzukämpfen und anderswo die Friedenstruppe spielen zu müssen. Auf deutsch nennt man das: Den Bock zum Gärtner machen. Und eine erfolgreiche russische Friedenspolitik läßt sich auch kaum darauf bauen, tschetschenische Dorfälteste vor Gewehrmündungen zur Unterzeichnung irgendwelcher Erklärungen zu erpressen.

Am gestrigen Montag schlug Moskaus Nationalitäten-Minister Michailow vor, alle tschetschenischen Feldkommandeure einzuladen und eine übernationale Kontrollkomission über die Einhaltung von Waffenstillständen wachen zu lassen. Wenn es Jelzin dazu gelänge, reale Kommandogewalt über seine eigenen Militärs zu gewinnen und einen guten, glaubwürdigen Politiker als Vermittler zu benennen, dann wäre dies wirklich ein Schritt in Richtung auf Friedensgespräche. Falls der Plan des Präsidenten kein Aprilscherz gewesen sein soll, dürfte sich Jelzin allerdings in dieser Angelegenheit keine Hoffnung mehr auf schnelle Wahlkampfeffekte machen. Er müßte sich zudem endlich entscheiden, ob er verhandeln oder Jagd auf „Terroristen“ machen will. Barbara Kerneck, Moskau