Schöne falsche Töne

■ Blues-Pionier Long John Baldry tröstete die Herzen im KITO

Das Schöne und Tröstliche an der Bluesmusik ist, daß alles so vorhersehbar ist. Die ewig gleichen Elemente werden in unendlich vielen Variationen zusammengesetzt, und man braucht sich nicht weiter um neue Moden, Trends oder Sounds zu kümmern. Deshalb altern die Bluesmusiker auch viel besser als etwa die Rock- oder Popstars, und deshalb wies Long John Baldry in seinem Konzert am Montag abend im KITO bei fast jedem Song extra darauf hin, vor wieviel Jahrzehnten er mit welchen (inzwischen meist verstorbenen) Musikern gespielt hat. Neben Alexis Korner war Baldry – in schwarz gekleidet, mit Hut, grauem Bart und langen Locken – einer der Pioniere der englischen Bluesmusik. In den sechziger Jahren gab er Rod Stewart und Elton John ihre ersten Jobs in seiner Band, und damals wird er nicht viel anders geklungen haben als am Montagabend.

Während er sich vor zwei Jahren mit seiner großen Band auf der engen Bühne des KITO drängte, kam Baldry diesmal mit einer minimalistischen Besetzung.

Unterstützt von dem Gitarristen „Papa“ John King und Mundharmonikaspieler Butch Coulter spielte er einen zwangsläufig schlankeren und ruhigeren Blues. Ein running gag des Konzerts wurden deshalb seine Erklärungen vor den einzelnen Songs, in denen er genau aufzählte, welche „HoHohos“ der Vokalisten fehlten oder mit welcher Duopartnerin er das Lied hier nun mal leider nicht singen könne.

Stattdessen konnte man bei seinem „Acoustic Blues Trio“ viel genauer auf die Nuancen der Musik achten. Dabei bemerkte man auch schnell, daß Baldy selber alles andere als ein Virtuose auf der Gitarre ist. Weil man jede falsche Note genau hören konnte, stellte er dann auch nach einigen Songs die zwölfsaitige Gitarre endgültig weg, weil sie „verdächtig gestimmt“ sei. John King spielte dagegen die elektrische Gitarre so gewitzt und warmherzig, daß sie wie die eigentliche Duopartnerin von Baldry klang. Coulters improvisierte dazu auf seiner Mundharmonika wunderbar die phantasievollen Verzierungen, durch die im Blues das Immergleiche nie gleich klingt.

Aber im Mittelpunkt war immer Baldrys Raspelstimme, der man solche Songzeilen wie „It takes a whole lot of loving – just to make me feel good“ aufs Wort glaubte, auch wenn er sie schon tausendmal gesungen hat. Ein talking Blues, in dem Baldry selbstironisch von seinen harten Zeiten als Straßenmusiker im London der 50er Jahre erzählte, war der Höhepunkt des Abends – auch wenn Baldrys Gitarre dabei, wie er selber sagte, „gehörig bockte“. Gerade weil nicht jeder Ton an diesem Abend genau stimmte, war es ein perfektes Blueskonzert.

Willy Taub