Schöner Warten unter Tage

■ Ab Mai sollen auf Plakatflächen in U-Bahnhöfen Werbefilme und Stadtinfos die Langeweile vertreiben. Die BVG verdient an den "Multimedia-Litfaßsäulen"

Die Flucht mit der U-Bahn wird in Zukunft für Verbrecher gefährlicher. Denn bei der Warterei auf den nächsten Zug könnte ihnen von der Bahnhofswand plötzlich ihr Konterfei entgegenblicken. „Infoscreens“ mit Werbefilmen sollen U-Bahn-Fahrgästen das Warten auf ihren Zug verkürzen. Und neben Stadtinformationen, Lottozahlen, Wettervorhersagen und Cartoons sollen dort auch Fahndungsfotos gezeigt werden. Ziel der Firma Infoscreen sind allerdings nicht Fahndungserfolge, sondern ein neuer Werbemarkt unter der Erde.

Ab Mai werden die Filme in einer 10-Minuten-Schleife auf den Bahnhöfen Leopoldplatz, Hermannplatz und Zoo zu sehen sein. Auf die Fläche von 2,50 mal 3 Meter wirft ein unter der Decke angebrachter Projektor die mindestens fünf Sekunden langen Spots, die allerdings stumm bleiben: Ton gibt es nicht. Durch eine Lichtschranke wird das Programm gestoppt, wenn eine Bahn einfährt. Die Leinwand übernimmt dann sogar eine Fürsorgepflicht und warnt: „Achtung, Bahn läuft ein!“ Ist der Zug wieder weg, läuft das Programm weiter, wo es unterbrochen wurde, damit auch keine Sekunde der Berieselung verlorengeht.

Der BVG entstehen durch das Kino im Untergrund keine Kosten, betont die Betreibergesellschaft Infoscreen – im Gegenteil: Die Firma investiert die 170.000 Mark pro Anlage und zahlt der BVG eine Pacht für die Benutzung der Schachtwand. Infoscreen wiederum finanziert sich über Werbekunden, deren Programmanteil nicht mehr als 40 Prozent ausmachen soll.

Der Bereichsleiter der Vereinigten Verkehrsreklame der BVG (VVR Berek), Detlef Kuno, geht jedoch von nur 30 Prozent Werbeanteil aus. Er hält sich auch ein Hintertürchen offen, falls sich die Werbezeit nicht so gut verkauft wie erhofft: „Auf Zigaretten- und Alkoholwerbung wird wahrscheinlich verzichtet werden, wenn wir die Werbezeit auch anderen Kunden verkaufen können.“ Für Kuno sind die Leinwände nur eine Weiterentwicklung der Litfaßsäulen. „Es ist Großflächenwerbung, die in Bewegung übergeht, angepaßt an das Multi-Media-Zeitalter.“

Bislang gibt es die Bildträger bereits in München und Nürnberg. In diesem Jahr sollen neben Berlin auch Köln, Hamburg oder Frankfurt/Main mit den Tafeln ausgestattet werden. Der Zentralrechner steht in München, von dort wird das Programm bei Bedarf aktualisiert. In Berlin soll das System täglich solange in Betrieb sein, wie auch die U-Bahn fährt. Denn, so Kuno: „Ich habe mich selbst davon überzeugt. Das Warten ist tatsächlich schöner.“ Bettina Blaß