■ Die Koalition meint es ernst mit dem Angriff auf die Renten
: Mit gierigem Griff

Nachrichtenarme Feiertage sind bei Politikern eine beliebte Gelegenheit, mit neuen alten Vorschlägen einen fragwürdigen Beitrag zur allgemeinen Verunsicherung zu leisten. Nun also auch noch die Renten. Aber diesmal ist es der Koalition ernst. Der Anstieg des Beitragssatzes über die magische Grenze von 20 Prozent ist so gut wie sicher. Panik macht sich breit.

Die sozialpolitische Runde beim Kanzler am Donnerstag hat viel Gesprächsstoff. Die FDP hat den mühsam im Bündnis für Arbeit erreichten Kompromiß zur Frühverrentung wieder auf Eis gelegt, er ist ihr nun doch zu großzügig. Sozialpolitiker der Koalition denken über ein Aussetzen der Rentenanpassung im nächsten Jahr nach. Damit nicht genug, sollen auch noch die Altersgrenzen für den Rentenzugang viel früher angehoben werden als im Rentenreformgesetz von 1992 vorgesehen. Schließlich ist die Verpflichtung der Rentner und Rentnerinnen im Gespräch, ihren Krankenversicherungsbeitrag in voller Höhe zu bezahlen.

Allein diese Maßnahme würde – mal Klartext gesprochen – eine Kürzung der Renten um 7 Prozent bedeuten. Auch die Änderung des Rentenzugangsalters hat erhebliche Folgen: Würden Rentenabschläge bereits jetzt eingeführt, ließe man die RentnerInnen für ihre eigenen Beschäftigungsprobleme noch zahlen – immerhin mit einer Rentenkürzung von 3,6 Prozent pro Jahr. In Zeiten hoher Erwerbslosigkeit aber ist der Rentenzugang für viele ältere Beschäftigte keine freie Wahl. Schließlich wurde das Verfahren der Rentenanpassung entsprechend der Nettolohn- Entwicklung erst mit der letzten Rentenreform vor vier Jahren eingeführt. CDU-Politiker haben offenbar ein kurzes Gedächtnis. Das Ziel der Reform war ein Regelmechanismus, der die Renten vor dem kurzsichtigen gierigen Zugriff der Politik bewahren

sollte. Diese Selbstbeschränkung war nur von kurzer Dauer.

Die Rentnerinnen und Rentner sollen die Quittung dafür zahlen, daß der Bundeshaushalt seit Jahren zu Lasten der Rentenversicherung verschont wurde. Die Koalition sucht ihr Heil in hektischen Leistungskürzungen. Aber so wird sie die Öffentlichkeit nicht darüber täuschen können, daß sie seit Jahr und Tag die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge verspricht und das Gegenteil macht. Andrea Fischer

Sozialpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion

von Bündnis 90/Die Grünen