Protestanten läuten Marschsaison ein

■ Orangeisten-Orden fordert Straße frei, mit Steinen und Molotowcocktails

Dublin (taz) – Der Auftakt zur Saison der Festmärsche in Nordirland verheißt nichts Gutes: Am Ostermontag kam es auf der Ormeau Road in Belfast zu einer Straßenschlacht zwischen rund 300 protestantischen Demonstranten und der Polizei, die 16 Stunden dauerte. Erst als die Polizei um Mitternacht Plastikgeschosse einsetzte, liefen die jugendlichen Randalierer davon.

Die Auseinandersetzungen hatten bereits am Morgen begonnen, als die Polizei die Ormeau-Brücke über den Lagan absperrte. Auf der anderen Seite, einer katholischen Enklave, war es anläßlich der Märsche immer wieder zu Unruhen gekommen, seit ein protestantisches Mordkommando vor vier Jahren in einem Wettbüro fünf Katholiken erschossen hatte. Bei den Festmärschen tauchten danach häufig Plakate mit dem Spruch auf: „Fünf zu null für uns.“ Noch im vergangenen Jahr hatte die Polizei den vom Orangeisten-Orden organisierten Paraden die Straße freigemacht.

Der Orangeisten-Orden wurde 1795 als protestantischer Geheimbund mit antikatholischer Ausrichtung gegründet. Mit der Parade am Ostermontag eröffnet der Orden jedes Jahr die Saison der Festmärsche, deren Höhepunkt der 12. Juli ist: An diesem Tag vor 306 Jahren hat Wilhelm von Oranien, nach dem sich der Orden benannt hat, seinen katholischen Widersacher und Schwiegervater Jakob II. in der Schlacht am Boyne besiegt und dadurch die protestantische Thronfolge in Großbritannien gesichert. Dem Orden gehören sämtliche führenden Politiker der britannientreuen unionistischen Parteien an.

Einer von ihnen, der Stadtrat Sandy Geddis, forderte die Polizei vorgestern auf, die Straße freizugeben. „Andernfalls haben wir keine andere Wahl, als uns gegen diese himmelschreiende Verletzung unserer von Gott gegebenen Bürgerrechte und Religionsfreiheit zur Wehr zu setzen“, fügte er hinzu. Kurze Zeit später ging ein Hagel von Steinen und Molotowcocktails auf die zu 93 Prozent protestantische Polizei nieder. Ein älterer Marschteilnehmer wurde noch barscher: „Steine tun den Schweinen nicht weh“, sagte er vor laufenden Kameras, „wir müssen sie mit Maschinengewehren umlegen.“

Für die kommenden Monate sind weitere Unruhen vorprogrammiert. Bis zum Ende der Marschsaison im Oktober werden rund 3.000 Paraden stattfinden, neun Zehntel davon sind protestantische Märsche. Ralf Sotscheck