Billige Tricks in schwerer Krise

■ Landesrechnungshof attestiert der Hansestadt Hamburg eine fast aussichtslose Finanzlage und überführt Behörden des Spar-Dopings Von Florian Marten

„Doping beim Volkssport Sparen“, so zürnte gestern Rechnungshofschef Hermann Granzow, gefährde die erforderlichen „olympiareifen Leistungen“. Mal werden fette Haushaltsreste aus aufgeblähten Ansätzen am Ende des Jahres flugs in Sparquoten umgemodelt, dann werden vorübergehend besetzte Stellen beim Auslaufen als eingesparte verkauft und schließlich ließ sich die Sozialbehörde die dank Norbert Blüms Pflegeversicherung eingesparten 125 Millionen Mark bei der Sozialhilfe auf ihr Sparleistungskonto gutschreiben.

Mit solch billigen Tricks, so gestern der Landesrechnungshof bei der Präsentation seines 262 Seiten starken Jahresberichts, sei Hamburgs „schwere Haushaltskrise“ nicht zu bewältigen. Anfang der 90er Jahre sei „die Chance zur strukturellen Gesundung verpaßt worden“. In Voscheraus Boom-Town-Euphorie kletterten die Ausgaben vier Jahre lang um 7,5 Prozent, wurden allein 4500 neue Stellen geschaffen.

“Jetzt“, so Granzow bitter, „müssen wir in der Krise sanieren, in einer fast verzweifelten Situation“. Selbst wenn es dem Senat gelinge, sein Einsparprogramm zu verwirklichen, werde die städtische Verschuldung, das „Veräußern von Tafelsilber“ mitberücksichtigt, in den Jahren 1994 bis 1999 um 14 Milliarden Mark zunehmen.

Nach Auffassung der Rechnungsprüfer muß daher die gesamte Haushaltsstruktur der Stadt konzeptionell und strategisch durchleuchtet werden. Das Rumwursteln mit globalen Sparquoten, die bisherige Sparstrategie des Senats, reiche nicht aus. Und: Die Investitionen, in Hamburg im Gegensatz zu fast allen deutschen Ländern praktisch ausschließlich auf Pump finanziert, müßten gedrosselt werden.

Ob Senat und Behördenspitzen zu solch konzeptionell-strategischem Handeln fähig sind? Die Kontrollettis vom Gänsemarkt haben da Zweifel: So stellte sich bei der Prüfung der Kulturbehörde heraus, daß diese „bei der Oper, bei den anderen staatlichen Bühnen, bei der Philharmonie und den öffentlichen Bücherhallen ihren Aufgaben der Unternehmenssteuerung nur unzureichend nachkommt“.

Große Schlampereien und mangelnde Kontrolle machten die Prüfer auch bei den jährlich rund 300 Millionen Mark verschlingenden Programmen städtischer Arbeitsmarktpolitik aus: Zwar weisen die Ausbildungsprogramme der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) eine „relativ günstige Erfolgsquote“ aus – bei der Wiedereingliederung in den Ersten Arbeitsmarkt kommen die städtischen Programme jedoch nur auf einen Erfolg von 15 bis 20 Prozent. Eine echte Prüfung von Effizienz und Qualität der Einrichtungen und Träger in Sachen Ausbildung und Beschäftigung, so moniert Granzow, findet nicht statt. Vermittlungserfolge von Beschäftigungsträgern schwanken zwischen 0 und 83 Prozent, die Kosten je Teilnehmer zwischen 18.000 und 50.000 Mark.

Das Senatsamt für den Verwaltungsdienst räumte gestern ein, die Vorschläge der Rechnungsprüfer hätten eine „nicht zu unterschätzende Bedeutung für die eingeleitete Modernisierung der Verwaltung“.