„Endlich fängt mal einer an“

■ Braucht Bremen ein weiteres Museum? Eine Umfrage zur geplanten „Kunstkiste“ am Hafen für die Sammlung Hans Grothe

Ein neues Kunstmuseum am Hafen: Das wäre ein erfreulicher Zuwachs für die Bremer Kulturlandschaft. Sagen VertreterInnen der heimischen Kunstinstitutionen. In einer taz-Umfrage bezogen sie Stellung zu dem Vorhaben des Senats, dem Kunstsammler Hans Grothe ein Grundstück am Europahafen zur Verfügung zu stellen. Dort will er eine „Kunstkiste“ bauen, ohne staatliche Förderung, „ganz auf eigene Kosten“ (vgl. taz vom 7.4.). Ein Vorhaben, das die bereits ansässigen Kunsthäuser begrüßen – allerdings: Falls doch Folgekosten auf die Stadt zukommen, so der Tenor, dann dürfe dies nicht zu Lasten der bestehenden Museen gehen. Denn deren Etats bewegen sich seit Jahren ohnedies am Rande des Existenzminimums.

„Ohne Abstriche ein erfreulicher Zuwachs“ – so begrüßt Thomas Deecke, Direktor des Neuen Museums Weserburg, die Idee der „Kunstkiste“. „Je mehr hier los ist, umso besser“: Auch die bestehenden Museen und Galerien könnten davon profitieren, wenn künftig mehr Kunstpublikum auf die Stadt aufmerksam werde. Weserburg, GAK, Künstlerhaus am Deich und die neue Grothesammlung: Kunstorte, die sich bei einem Spaziergang entlang der Weser prima nacheinander besichtigen ließen, findet Deecke. Museumsjogging nach Frankfurter Art, wo die Tagestouristen in Rekordzeiten das Museumsufer abgrasen? Wohl kaum, meint der Direktor. „Der normale Museumsbesucher kann nach anderthalb Stunden doch nicht mehr. Das schaffen nur die Profis.“

Denkt sich auch Horst Griese vom „Künstlerhaus am Deich“. Daß demnächst das Massenpublikum in die Hansestadt strömt, weil es hier qualitätvolle Kunst zu sehen gibt, glaubt er nicht. Zeitgenössische Kunst, wie sie auch Grothe sammelt, sei etwas fürs Fachpublikum. „Es gibt nicht wenig Leute, die reisen für die Kunst“, sagt Griese. „Aber das sind vor allem Meinungsträger, Leute, die natürlich auch Orte hochbringen können.“

Ansonsten begrüße das Künstlerhaus die Idee der Kunstkiste. Allerdings: „Ich sehe auch die Gefahr eines Mißverhältnisses in der Bremer Kunstförderung“, sagt Griese. Neben den Museen müßten auch jene Häuser hinreichend gefördert werden, die sich für junge, lebendige Kunst einsetzten und Werke ausstellen, „die noch nicht in die Geschichte eingegangen sind“.

Und auch die Museen warnen vor einer Aufteilung des Kuchens auf noch mehr hungrige Esser. Was an die Museen an Subventionen erhielten, sagt Claus-Hermann Wencke vom Vorstand des Kunstvereins, dürfe „nicht noch weiter gesplittet werden“. Schön, wenn Grothes „erstklassige Sammlung“ in Bremen gezeigt werde. Aber bezahlen müsse Grothe sein Vorhaben schon selbst. Anders als bei Grothes erstem Anlauf, als dieser seine Sammlung in Bremerhaven unterbringen wollte, dürften „keinerlei Folgekosten für die Stadt entstehen“. Der Vertrag, der jetzt zwischen Wirtschaftsressort und Grothe ausgehandelt wird, müsse „so niet- und nagelfest sein, daß nicht in fünf, sechs Jahren plötzlich die Stadt dafür einstehen muß“ – oder gar „eine Straßenbahn dahinbauen muß oder eine Brücke“.

Die Galeristin Katrin Rabus hat für die Privatinitiative Grothes nur aufmunternde Worte parat. „Eine gute Haltung, daß an dieser Ecke einer mal einfach anfängt“, sagt sie. Das könne ein wichtiger Schritt sein, um das alte Vorhaben einer Aufwertung des Hafengeländes voranzubringen. Sie habe selbst schließlich beste Erfahrungen gemacht, als sie mit ihrer Galerie ins Hinterland des Bremer Bahnhofs zog: „Ich hab' ja auch eine Ecke, in die sonst kein Mensch gehen wollte, mit Kunst belebt.“

Ein lebendiges Haus für zeitgenössische Kunst wünscht sich auch Joachim Kreibohm, Vorsitzender der GAK (Gesellschaft für aktuelle Kunst). Für wenig attraktiv hielte er hingegen die Vorstellung, am Hafen lediglich die Sammlung Grothe zu präsentieren, als dauerhaften und unveränderlichen Bestand. „Es ist unbedingt notwendig, in einem solchen Museum auch auf den aktuellen Diskurs zeitgenössischer Kunst reagieren zu können“ – mit Sonderschauen und temporären Installationen, die neben Grothes Schätzen stehen müßten. tw