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„Lindenstraße bleibt!“

Gegen den Willen von Else Kling hat Berlin jetzt eine Axel-Springer-Straße. Kulturverein Alte Feuerwache klagt gegen Cäsaren-Stück  ■ Von Rolf Lautenschläger

Ein wenig gewackelt hat die Leiter schon, die Friede Springer hinaufkraxeln mußte, um das neue Straßenschild zu enthüllen. Mehr noch aber hat die Verlegerwitwe gebebt, als die gestrige Umbenennungsaktion der nördlichen „Lindenstraße“ in „Axel-Springer-Straße“ statt im Beifallsrausch in Pfiffen unterging. „Lindenstraße bleibt!“ skandierten die angerückten Baumfans. „Haut dem Springer auf die Finger“, riefen rund dreißig Alt- und Neolinke zur Erinnerung an die Studentendemos vor dem Zeitungshochhaus lautstark. Und „Ru-Ru-Rudi-Dutschke-Straße“, forderten die Springer-Straßen-Gegner vom nahen Kulturzentrum Alte Feuerwache.

Aber es kam noch härter: „Mit der Solidarität von Else Kling („Lindenstraßen“-TV-Star) im Rücken kämpfen wir weiter für den Erhalt des historischen Straßennamens gegen die Umbenennung in einen hysterischen Straßennamen“, erklärte Stefan Greh vom Kulturzentrum. Wer kriegte da keine weichen Knie? Arme Friede.

Doch Witwe Springer hat zurecht gewackelt, denn die Sache ist ein wenig ernster. Die Umbenennungsaktion des nördlichen Teils der Lindenstraße zwischen Kreuzberg und Mitte nach einer „höchst umstrittenen Person“ sieht Stefan Greh nach wie vor als „undemokratischen Akt des Senats gegen die Interessen des Bezirks und der Anwohner“. Denn diese hatten nach einem vor Gericht ausgetragenen Tauziehen versucht, die Umbenennung zu verhindern. Greh: „Die Bezirksbürgermeister von Mitte und Kreuzberg hatten sich 1995 gegen die Umbenennung der Lindenstraße ausgesprochen.“ Daraufhin habe der Senat mit dem Argument des „öffentlichen hauptstädtischen Interesses“ das Verfahren kurzerhand an sich gezogen und Bezirke sowie die Anwohner ausgebootet.

Doch die Lindenfans von der Alten Feurwache ließen nicht locker: Gegen die im September vergangenen Jahres erfolgte Pro- Springer-Entscheidung klagte der Kulturverein vor dem Verwaltungsgericht und erreichte einen einstweiligen Stopp. Die gegen diesen Beschluß vor dem Oberverwaltungsgericht erhobene Beschwerde der Verkehrsverwaltung hatte aber im März Erfolg, so daß der Umbenennung nun nichts mehr im Wege stand. Inzwischen, so Greh, liege dem Verfassungsgericht allerdings eine erneute Klage vor, gehe es doch hier „um ein Politikum“ und um dem Kampf gegen eine Rollback-Politik, „wie sie provinzieller nicht sein kann“. Die Axel-Cäsar-Springer-Fronde erhält bis dato Zulauf. Das „Cäsaren-Stück“ der Umbenennung, so der PDS-Abgeordnete Peter Rudolf Zotl, sei einem der „verdientesten Ritter des Kalten Krieges gewidmet“ worden. Und auch die TV-Firma zeigt sich empört. Joachim Huth, Produktionsleiter: „Der Senat muß aufgrund seiner handstreichartigen Umbenennung damit rechnen, daß Else Kling im Senat erscheint und für Ordnung sorgt.“ Der Senat müsse sich wappnen. Dann wackelt nicht nur Friede, sondern vielleicht der Preußische Landtag.

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