■ Billiges Muskelspiel?
: Schönbohms Linie

Jörg Schönbohm (CDU) war kaum im Amt, da lobte ihn der PDS-Abgeordnete und Hausbesetzer Freke Over schon als „Qualitätssprung“ in der Reihe Berliner Innensenatoren. Wie als Antwort auf Beifall von der falschen Seite ließ der Ex-General kurz darauf zwei langjährig besetzte Häuser räumen und verließ die senatseigene „Berliner Linie der Vernunft“. Jetzt droht er, die Koalitionsvereinbarung beim Thema Wagenburgen zu sprengen und die Wagen an der East-Side-Gallery auch dann zu räumen, wenn es keine Ersatzfläche gibt. Hat Over sich geirrt? Ja und nein.

Einerseits scheint ein Innensenator, der sich bislang eher als liberal und weltoffen auszugeben versucht, mit seinen Muskeln zu doll auf Kosten linksalternativer und -radikaler Lebenswelt zu spielen. Andererseits hat Schönbohm aber auch angedeutet, der Berliner Polizei angesichts der dramatischen Haushaltslage ihre in der Bundesrepublik einzigartigen Privilegien zu nehmen. Wer nämlich die antiquarische Pausen- und Schichtregelung abschafft, könnte 1.200 Stellen streichen, ohne daß auch nur ein einziger Uniformierter eine Stunde weniger arbeiten würde. Wer als Innensenator sich aber mit der Polizei anlegen will, dem ist zumindest nach innen von Nutzen, wenn er nach außen mit seiner Truppe Härte demonstriert. Schönbohm läßt bereits ein Rationalisierungsgutachten für die Polizei erarbeiten. Sollte er das absehbare Ergebnis allerdings nicht umsetzen, dann wird sich der Exgeneral in der Tat sagen lassen müssen, er sei kein Qualitätssprung, sondern bloß ein weiterer populistischer Hardliner. Dirk Wildt