Polizeischikanen vor der Wagendemo

■ 300 Wagenburgler und 300 Polizisten auf Demo-Tour

Etwa dreihundert BewohnerInnen von Wagenburgen und Hüttendörfern aus allen Teilen der Bundesrepublik, aber auch aus Dänemark und den Niederlanden protestierten gestern gegen die Vertreibung aus den Innenstädten. Schon lange bevor die Abschlußdemo anläßlich des bundesweiten Treffens der Wagenburgen und Hüttendörfer gestern nachmittag in der Köpenicker Straße starten sollte, waren die TeilnehmerInnen mehrfach durchsucht worden.

Kriminalisiert zu werden, nur weil man sich nicht in die Strukturen pressen lasse, die mit dem Leben in einer Mietwohnung verbunden sind, kenne sie zwar auch von Hannover her, erzählt die 23jährige Studentin Isabelle, „doch dort wurde wenigstens miteinander geredet. Unsere Wagenburg in der Innenstadt hat die Stadtregierung legalisiert, wir haben sogar einen Verein gegründet.“ Sie hofft, daß es nicht zu Auseinandersetzungen kommen wird: „Ich denke, die meisten hier wollen einfach nur in Ruhe leben.“

Bevor sich der Demonstrationszug mit mehr als anderthalbstündiger Verspätung, dafür aber mit vielen bunten Behausungen, in Gang setzte, haben Isabelle und ihre MitbewohnerInnen mit ansehen müssen, wie ihre Wohnwagen durchsucht wurden. Auch in anderen Fahrzeugen wurden Werkzeuge und größere Brotmesser von den Polizeibeamten beanstandet. „Mensch, der Wagen ist meine Wohnung, ich räume die doch vorher nicht aus, damit ich hier an der Demo teilnehmen darf“, empörte sich eine Oldenburgerin. „Normalerweise dürfte ich sie ohne Wohnungsdurchsuchungsbefehl gar nicht reinlassen“, scherzte ein Berliner Rollheimer gegenüber einem Beamten. Mit Musik und bunten Luftballons, an denen Pappwohnwagen baumelten, kam nach dem langersehnten Beginn der Demo dann aber fast ein wenig Volksfestatmosphäre auf.

Dreihundert Beamte im Einsatz bei ebensoviel erwarteten Demonstranten, hieß es schließlich im Informationswagen der Polizei. Nicht immer waren die Passanten mit den Zielen der Demonstranten einig. „Die hätten zu Hause mal ordentlich den Hintern vollkriegen sollen“, wetterte eine im Stau steckende Autofahrerin. „Chaoten“, „Asoziale“, „Gesocks“, hieß es immer wieder. Auch, daß „die eh alle zivilisiert werden, wenn sie erstmal erwachsen sind“. Ullrich, der 30 ist und wie Isabelle aus Hannover kommt, kann darüber nur schmunzeln. „Ich war mit 18 Bankkaufmann.“ Kathi Seefeld

Siehe Tagesthema Seite 3