Geh raus und spiele, Jay Jay!

Nach dem 2:2 gegen Stuttgart deutet sich im Umfeld der Eintracht fester Glaube an Stepanovic und eine Auferstehung an  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Erinnert sich noch einer? Kühn wurde dem Wappentier der Eintracht, dem stolzen Frankfurter Adler, zu Saisonbeginn ein Krönchen aufgesetzt. Real Francoforte? Das Insignium königlicher Herrschaft liegt nach 27 Spieltagen, wenn man so will, längst im Staube der Arena im Stadtwald. Und die Eintracht steht weiter auf einem Abstiegsplatz (27 Punkte) – auch nach dem dienstäglichen 2:2 gegen den Tabellenvierten VfB Stuttgart (39 Punkte). Aber immerhin: Der Punkt wurde, aufgemerkt, hart erkämpft und – mehr noch – erspielt!

„Eintr8 – 4ever“ steht auf den Aufklebern, die an die rund 30.000 ZuschauerInnen verteilt worden waren. Ob das auf Dauer hilft im Kampf gegen den Abstieg? Die Fakten: 52 Gegentore hat Nationalkeeper Andreas Köpke einstecken müssen. Und die Eintracht erst einen Sieg in der Rückrunde erstolpert, ein 1:0 gegen Uerdingen. Die Lage der Eintracht? Gelitten unter Jupp Heynckes, zur grauen Maus verkommen unter Karlheinz „Charly“ Körbel, der die Mannschaft in dieser Saison nach seinem Ebenbilde formte: lammfromm, lieb und bieder. Und jetzt auch noch von Manager Bernd Hölzenbein und den „Golfspielern“ (Stepanovic) im Präsidium wieder Dragoslav Stepanovic ausgeliefert, der die Eintracht einst im Zorn verlassen mußte. „Die Lage ist beschissen“, sagt Stepanovic.

Daß ausgerechnet Herr Nachtsheim, einer der beiden begnadeten Dummschwätzer von Badesalz, wieder einmal den Weg ins Waldstadion gefunden hatte, lag wohl am Trainerwechsel. Mit Hölzenbein und Stepanovic verfügt die Eintracht – wie ganz Hessen mit Badesalz – schließlich wieder über zwei „abgebuzzte“ Spaßmacher. „Bei de Eintracht fehle heut' die Tübe, die wie de' Uli Stein auch emol mit de' Faust uff de' Disch hache könne“ (Stepanovic). Ja, Stepi! Was sind das nur für Männer, deren Namen mit dem kleinen „i“ verniedlicht werden? Nicht ganz für voll zu nehmen? Oder begnadete Selbstdarsteller mit parapsychologischen Fähigkeiten? In jedem Fall ersteres und immerhin von hohem Unterhaltungswert.

AnhängerInnen der Eintracht, laßt also fahren dahin alle Hoffnungen auf den Klassenerhalt, und ergötzt euch an Stepanovic, dem Mann im Trenchcoat, dem Mann mit der qualmenden Havanna unter dem grauen Schnauzer, der am Spielfeldrand mit den Armen rudert, als gelte es, mit dem „Fliegenden Robert“ aus dem „Struwwelpeter“ in Konkurrenz zu treten. Was sollte er tun? In seinem ersten Heimspiel lag die Eintracht mit 0:2 zurück – nach nur vier (!) Spielminuten. Haber und Gilewicz hatten sie scheinbar abgeschossen, und so war Totenstille im Stadion.

Doch dann trat das ein, was Stepanovic später den „Alles-oder- nichts-Effekt“ nannte. Was das ist? Ein Matthias Hagner drischt aus einer eigentlich aussichtslosen Position den Ball in den Strafraum der Stuttgarter. Plötzlich ist der vielgescholtene, lauffaule Johnny Ekström da und drückt das Leder über die Linie. Und angetrieben von einem einfach göttlich aufspielenden Jay Jay Okocha und dem nun offensiven Libero Ned Zelic überrennen die Frankfurter daraufhin den VfB. Der Lohn: Aus dem Stand heraus befördert Okocha einen Freistoß ins Tor, den kein anderer direkt geschossen hätte.

Da war – nach langer Zeit – wieder einmal Samba an der Eckfahne angesagt. Und auf der Haupttribüne lagen sich die ZuschauerInnen in den Armen. Es folgten Chancen über Chancen für einen Sieg. Schupp, Ekström und Komljenovic vergaben die besten, meist nach Traumpässen von Okocha. Andererseits kratzte Thomas Doll einen Kopfball von Thomas Berthold gerade noch so von der Linie.

Später dann lobte Stepanovic nachdrücklich Okocha. Der sei der „beste Spieler bei Zweikämpfen“ gewesen und habe „mannschaftsdienlich“ gekickt. Promotion für Okochas Biographie, die in dieser Woche herauskommt: „Jay Jay – best in soccer“.

Plötzlich ist an dieser Behauptung wieder etwas dran. Und die große Frage nur: Wie hat Stepanovic es geschafft, den verunsicherten Okocha wieder zum „Tüb“ aufzubauen? So: „Ich hab' dem einfach gesacht, geh raus und spiel, wie de immer gespielt hast.“ Und das Toreschießen? Habe er ihm auch nicht verboten. So einfach ist das.

Frankfurt: Köpke - Zelic - Bindewald, Dickhaut - Okocha, Bommer, Doll (90. Anicic), Komljenovic, Schupp (90. Flick), Hagner - Ekström

Stuttgart: Ziegler - Schäfer (70. Grimm), Berthold, Schneider, Bochtler - Haber, Foda (80. Schwarz), Balakow, Legat - Elber, Gilewicz (75. Bobic)

Tore: 0:1 Haber (2.), 0:2 Gilewicz (5.), 1:2 Ekström (27.), 2:2 Okocha (44.) - Zuschauer: 30.000