Bundesanwalt klagt algerische Islamisten an

■ Söhne des Chefs der Islamischen Heilsfront (FIS) sollen Kampfgruppen in Algerien mit Waffen, Sprengstoff und gefälschten Papieren versorgt haben

Berlin (taz) – Der Generalbundesanwalt hat Anklage gegen vier in Deutschland lebende algerische Islamisten erhoben. Vorwurf: Verdacht auf Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und damit zusammenhängend Vergehen gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz sowie Urkundenfälschung.

Unter den Beschuldigten sind zwei Söhne des Chefs der Islamischen Heilsfront (FIS): Salim Abbassi (28) und Abou al-Kassem Iqbal Abbassi (24). Ihr Vater Madani Abbassi sitzt in Algerien im Gefängnis. Seinen beiden Söhnen soll zusammen mit Nasr-Eddine H. (30) und Mahmoud L. (25) vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf der Prozeß gemacht werden. Sie alle sind seit dem vergangenen Jahr in Deutschland in Untersuchungshaft.

Bei der „kriminellen Vereinigung“ handelt es sich laut Bundesanwaltschaft um eine „Vereinigung, die in Deutschland für islamistisch-fundamentalistische Gruppen den Kauf von Waffen, Sprengstoff und sonstigem Kriegsgerät und die Beschaffung von falschen Ausweispapieren organisierte“. Damit solle die in Algerien kämpfende „Islamische Armee des Heils“ (AIS) und die „Bewaffneten Islamischen Gruppen“ (GIA) versorgt werden. Die AIS bildet den bewaffneten Arm der FIS. GIA und FIS rivalisieren.

Die Anklage geht auf Beweismaterial zurück, das Ermittler bei der Durchsuchung mehrerer Wohnungen am 28. März im Raum Aachen und Frankfurt fanden. Dabei entdeckten die Fahnder Paßfotos von Islamisten und mehr als 20 Ausweise aus Frankreich, Belgien, Italien und Nigeria. In der Wohnung der Abbassi-Söhne fanden sie zudem einen funktionsfähigen Sprengzünder.

Laut Bundesanwaltschaft organisierte die Gruppe von März 1993 bis Mai 1994 mindestens zwölf Waffentransporte nach Algerien. Unter der Ladung seien rund 100 Sturmgewehre gewesen, mehr als 30 Maschinenpistolen, acht Pumpguns, 20 Repetierflinten, 15 Faustfeuerwaffen, Schalldämpfer, Magazine, Munition, Sprengstoff und sonstiges Kriegsgerät. Die beiden Abbassi-Söhne hätten mehrere Transporte selbst geleitet. Die „in Deutschland organisatorisch selbständige Tätergruppierung“ habe enge Kontakte zu Islamisten in Mittel- und Westeuropa gehabt.

In Algerien herrscht seit 1991 Bürgerkrieg. Zuvor hatten die Militärs die ersten freien Wahlen des Landes nach dem ersten Wahlgang abgebrochen, weil sich ein klarer Wahlsieg der FIS abzeichnete. Die FIS wurde verboten und ihre Führer inhaftiert. Seither wurden in dem Land bis zu 50.000 Menschen getötet. Thomas Dreger