Ein bißchen Spaß muß sein

■ Jürgen Flimm und einige seiner berühmtesten Freunde feiern am 8. Mai eine fröhliche Geburtstagsparty

Kurz vor dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz verkündete Thalia-Intendant Jürgen Flimm am Mittwoch mit strahlender Laune seinen neuesten Medien-Coup: Nach We will never forget zum 60. Jahrestag der Machtergreifung 1993 wird nun der 8. Mai 1995 zum Polit-Event. Nachdenklichkeit und Diskussion, Besinnung und Ursachenforschung über die Zeit der nationalsozialistischen Diktatur, harte öffentliche Debatten und provozierende Analysen zu der Kontinuität von Geschichte über dies „magische Datum“ hinaus in die gesellschaftliche Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland bis heute stehen auf dem Programmzettel für den Jahrestag des Kriegsendes?

Na denkste! Das Thalia ist doch kein historisches Seminar, sondern ein um politische Werbung bemühtes Unterhaltungstheater: Eine „tolle Party“ soll es werden, ein „großes Friedens- und Freiheitsfest“, das die ganze Stadt „überwuchert“, so Jürgen von Oetting, zweiter Geschäftsführer des Theaters. Begleitet von einer gigantischen Kampagne über mehrere Monate, an der sich alle großen Medien unserer Nation beteiligen (anwesend waren u.a. die Chefredakteure von Stern, ZDF, Max und Morgenpost, hinzu werden alle anderen kommen), werden wir belehrt, daß der 8. Mai 1945 keineswegs ein Datum zur Reflexion der Greuel des Hitler-Regimes ist, sondern ein Freudentag. Denn, so der griffige Flimmsche Slogan, der uns ab heute von Millionen Aufklebern und Stickern anschreien wird: „Die Freiheit hat Geburtstag – Wir engagieren uns.“

Nun hätten wir durchaus Verständnis dafür, wenn die Soldaten der Alliierten sich anläßlich dieses Datums feiern würden. Auch wenn die Polen, die Tschechen, die Russen und wen sonst immer noch die Deutschen überfallen und massakriert haben, zum 8. Mai ein Bierchen öffnen würden. Aber daß deutsche Künstler und Journalisten auf diesem perfiden Weg Abschied von der Auseinandersetzung mit der Kontinuität von Geschichte nehmen, ist schon schauerlich.

Der militärische Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands entstand nicht aus dem sehnlichen Bedürfnis der Deutschen nach parlamentarischer Demokratie, wie uns dieser hagestolze Slogan unterschwellig nahelegen will, sondern gegen erbitterten Widerstand. Stille Dankbarkeit für eine Zwangsbehandlung wäre vielleicht angebracht. Aber eine Geburtstagsparty, auf der Senta Berger, Udo Jürgens, Peter Maffay, BAP, Mario Adorf und Montserrat Caballe im Thalia-Theater den richtig piefigen deutschen Gala-Glanz verströmen, der dann live ins großdeutsche Wohnzimmer transportiert wird, wo die Nation mit dem Geburtstagssticker unter Geburtstagsgirlanden sitzt und froh ist, daß es keine doofen Faschisten mehr gibt, als adäquate Form, diesen Tag zu begehen? Oder ist die Überlegung jene, daß die deutsche Nation, nachdem sie fünf Monate Zeit hatte, bei Dokumentationen zum „Dritten Reich“ abzuschalten, ein wenig Erheiterung verdient hat?

Er habe aus der „lustigen und schönen“ Zusammenarbeit mit der Werbeagentur, die das prima Logo entworfen hat (rote Schrift auf gelbem Deutschland), gelernt, daß „wir nicht immer nur zurückschauen wollen“, erklärte Flimm dann auch mit verschmitztem Flimm-Lächeln. Und der große Harmonisator und Mitorganisierer Michel Friedmann, Bubis-Stellvertreter im Zentralrat der Juden und CDU-Vorständler, hält es für das Wichtigste an diesem Tag, daß Millionen Menschen „ihr Gesicht zeigen“. Bei so einer geilen Geburtstagsparty, lieber Michel, werden sich die Millionen nicht lumpen lassen.

Till Briegleb