■ Verkehrsgefährdung durch wandernde Kröten
: Lambada auf dem Mittelstreifen

Wohl jeder von uns hat schon einmal mit Kröten zu tun gehabt. Einige tragen sie im Brustbeutel, andere in der Hosentasche oder im Portemonnaie spazieren. Manche horten sie auf dem Konto und bezahlen mit der Kreditkarte.

In der nunmehr anbrechenden milderen Jahreszeit bedarf die Kröte besonderer Aufmerksamkeit. Es ist dies die Periode, in der die vom nackten Paarungstrieb, niedersten Instinkten und wildester Wollust angestachelten Amphibien ausbüchsen und sich unter die Automobile mischen, liebestoll durch den Straßenverkehr taumeln und den Asphalt zum Reich der Minne, will sagen zur Wildbahn der freien Liebe umfunktionieren.

Sämtliche Verkehrsteilnehmer sind von diesem unziemlichen Treiben betroffen. Gefährliche Situationen entstehen, sobald ein ineinander verkeiltes Krötenpärchen in die Fahrradkette gerät und die entsafteten Körper den Rücktritt blockieren. Der Bremsweg selbst ökologisch unbedenklicher Fahrzeuge verlängert sich ins Unkalkulierbare, wenn einer dieser sittenlosen Artgenossen zäh das Profil der Pneus verklebt. Wer übernimmt die Haftung, wenn ein Fußgänger auf einem hinterbliebenen, aber bedauerlicherweise zu einer giftgrünen Schleimspur ausgewalzten Krötenadonis ausrutscht und die bei unsereins deutlich weniger elastischen Knochen bricht? Wem schließlich obliegt es, den schmatzenden, seidig glänzenden Glitsch von der Straße zu kratzen?

Der Begriff Verkehrsweg ist gänzlich fehlinterpretiert, wenn glibschige Biester das Wegesystem mißbrauchen, um, von unzüchtigen Regungen umgetrieben, kolonnenweise aufeinander zu hüpfen und sich dem Diktat wollüstiger Regungen beugen. Hier tragen Krötenhalter besondere Verantwortung: Niemand von uns möchte schließlich, daß das Wechseln der Straßenseite mit dem vorzeitigen Ableben endet und aus Laichgründen schlitterige Leichengründe oder wohl gar ewige Jagdgründe werden, was rasch geschehen ist, wenn der Paarungstrieb zum Leichtsinn verführt oder im Eifer der Kopulation die Aufmerksamkeit für das umgebende Geschehen nachläßt.

Auch vor Erregung bibbernde Lustmolche können keine eingebaute Vorfahrt für sich reklamieren. Das mögen die vom Sexualrausch aufgepeitschten Schleimlinge bedenken, bevor sie Teerstraßen queren, Unterführungen durchmessen, auf Feldwegen tänzeln, sich in Autobahnnähe zu bespringen wünschen oder auf dem Mittelstreifen verrückt Lambada tanzen; wenn Lurchlebemänner kokett ihre Lurchladies necken, wenn vom Geschlechtstrieb geschüttelte Amphibienweiber den männlichen Kröten an die Klöten langen, sich hingebungsvoll an den geliebten Körper schmiegen und seufzend der Begattung entgegenlechzen, wenn das Gequake der zwischenamphibischen Ekstase die warme Frühlingsluft erfüllt und lautstark den ungezähmten Willen der Natur zur Reproduktion bezeugt... Harald Keller