Obszöne Herrlichkeit

■ Museum für Kunst und Gewerbe zeigt Luxus und Engagement

Die zweite in dieser Woche abgehaltene Jahreskonferenz eines großen Hamburger Museums bestätigt den unaufhaltsamen Wandel der Museen von kameralistisch verwalteten staatlichen Kulturtempeln zu amerikanisierten Dienstleistungsunternehmen kapitalistischer Prägung mit weitgehender Budgetverantwortung. Um nicht ein Viertel des Museums für Kunst und Gewerbe, das sowieso stets nur einen Bruchteil seiner Schätze zeigen kann, im täglichen Betrieb geschlossen zu halten, arbeiten 70 Freunde des Hauses im unbezahlten Wachdienst. Selbst knarrende Treppen und defekte Leitungen werden inzwischen von Stiftergeld repariert, das Direktionszim-mer schon mal als Location für einen Film mit Inge Meysel vermietet, wie der Direktor Wilhelm Hornbostel am Donnerstag der Presse erzählte.

Aber noch ergibt diese Umlegung der Finanzierung kein Bild des Jammers, laufen doch gleichzeitig jährlich an die 25 Sonderausstellungen. Es werden Ausstellungs- und Bestandskataloge publiziert oder eine Biographie für den nach dem Gründungsdirektor Justus Brinckmann zu Unrecht weniger bekannten Max Sauerlandt in Auftrag gegeben. Und die Sammlung wird mit Ankäufen von etruskischen Panthern zu Jugendstilplaketten aus Rodins Atelier weiter qualifiziert. Denn auch wenn ein Museum fast nur noch mit seinen Sonderausstellungen wahrgenommen wird, sind diese doch nur ein Teil der Arbeit.

Das Museum bietet einen weitgespannten Mix an Angeboten: von der Antikensammlung zur Plakat-retrospektive, von Mapplethorpe-Fotos zu Horst Janssens illustrierten Briefen, dazu Mode, Design, Comics und Musikabende im Spiegelsaal. So ergibt sich im Hamburger Museumsvergleich der jüngste Altersdurchschnitt der Besucher.

Das Haus am Steintorplatz hat sich strukturell und konsequent der materiellen Kultur verschrieben. So findet es unter den Anbetern der Objektivierung auch immer wieder beste Freunde. Ein Hamburger Versandunternehmen hat eine Ausstellung mitfinanziert, die selbst für den kritischsten Geist das absolute Non-Plus-Ultra an delirierendem Luxus in der gesamten Ding-Welt ist: 250 Prunkobjekte, die die letzten Zaren beim Petersburger Juwelier Carl Peter Faberg in Auftrag gaben, sind ab April zu sehen. An die 8,5 Millionen Mark kostet nicht etwa die Ausstellung, sondern das ist der Auktionspreis von nur einem einzigen der edelsteinbesäten und mit feinmechanischen Uhrwerken versehenen Ostereier aus der Schau, die einen schon fast obszönen Reiz alter Fürstenherrlichkeit verbreiten wird. Erstmalig gezeigte Druckgraphik aus den Beständen des Hauses, ein Werbewettbewerb der Firma Elida von 1928 oder der kulturelle Wandel von 1925-1935 anhand der Frisiermode sind weitere Programmpunkte für 1995.

Hajo Schiff