Die künstlerische Internationale

■ Die Ausstellung „Station Deutschland“ thematisiert den distanzierten Blick

Reisen ist eine Möglichkeit, den Alltagsblick zu ändern, eine andere ist der Spiegel der Kunst. Aus elf Ländern kommen die Künstler, die in der Ausstellung Station Deutschland auf Kampnagel den distanzierten Blick thematisieren. Kuratiert wurde die Auswahl von Tatjana Herrmann, zu DDR-Zeiten aus der Ukraine nach Berlin gekommen, und dem US-Amerikaner David Maas, der nach der Wende dorthin kam: internationale Kooperation, wie persönliche Spiegelung der deutschen Vereinigung also.

Da alle 13 Künstler mehrsprachig sind, wird Sprache oft zum Thema. Der Belgier Jozef Legrand kombiniert Porträts mit Sätzen über die Vorlieben der Personen in verschiedenen Sprachen. Sofort wird das soziale Umfeld phantasiert: Natürlich ist es ein Deutscher, der sein Auto über alles liebt und ein Franzose, der eine Mätresse hat. Dabei sagt die gewählte Sprache samt ihrem Set von Vorurteilen keineswegs, daß der Betreffende überhaupt etwas mit dem jeweiligen Land zu tun hat. Ein Spiel mit der Identität ist auch die Biographie von Rivka Rinn: sie gibt verschiedene Varianten, macht die Fakten eines Lebens zu gestaltbaren Fiktionen. Abstammung, Religionsgruppe und künstlerische Zuordnung: alles dient nur zur Einengung der Person – und wehe, aus einem dieser Details werden mörderische Konsequenzen gezogen, wie so erschreckend auf dem Balkan geschehen. Da ist es besser, im Kunstbereich Differenz kennen und schätzen zu lernen. Das Diverse nimmt weltweit ab, das Verstehen aber kaum zu. In den Videos von Daniela Comani aus Bologna werden Texte vorgelesen, die ihren Sprechern unverständlich sind: eine ausdrückliche Manifestation alltäglicher Oberflächlichkeit. Etwas neues Fremdes ist nur auf der Folie des alten Eigenen zu verstehen. Daniela Comani zeigt in Photocollagen, daß sie die Landschaften ihrer Kindheit auch in Tokio nicht vergißt. Andererseits hat sie das Abbild ihrer Person aus den anonymen Umgebungen von Hotels und Bahnhöfen herausgelöst: es scheint keine Chance zu geben, diese Orte persönlich zu besetzen. Oder doch? Yuan Shun setzt sich zur Topografie in Beziehung durch wandfüllende Karten aus Menschenhaar. Haare sind für den Shanghaier in buddhistischer Tradition spirituell. Ein nur scheinbar fremdartiger Gedanke: auch in biblischen Geschichten und bei den alten Germanen liegt die Kraft im Haupthaar – der fremde Kunstansatz ruft auch eigene Legenden ins Gedächtnis.

Auch das Private ist für Weltenwanderer kaum mehr eine Rückzugsmöglichkeit. Christina Dimitriades ist nirgends ganz zuhause: in Großfotos zeigt sie, wie die Identifikation mit Wohnumgebungen verloren geht und die Künstlerin sich aufzulösen droht.

Doch nicht Mustererfahrungen von Ausländern werden didaktisch vorgeführt, sondern vor allem Kunst. Guang Yao Wu verzichtet auf jede plakative, marktkonforme Wiedererkennbarkeit sogenannter oppositioneller chinesischer Kunst. Wu nutzt für seine eher minimalistisch-konstruktiven Arbeiten neue Materialien: Lautsprecherfilz und Mikrofonschutzhüllen. Tiefschwarz lichtschluckend definieren die Eiformen in additivem Raster Schattenformen von bemerkenswerter ästhetischer Qualität.

Hajo Schiff

K3 auf Kampnagel, Di-So 16-20 Uhr, bis 27.April.