Animateure gesucht

■ Das "Internationale Trickfilmfestival Stuttgart" hat einen neuen Sponsor: Pro7 verlangt von den Animationsfilmen eine "klare narrative Struktur" - und "Humor"!

Alle Menschen sind gleich – jedenfalls nach Auffassung der meisten Programmgestalter des Fernsehens. Der Zuschauer, meint man, wolle vor allem leichte Kost: Talkshows, Spielfilme und Spaß. Und so landet alles, was nicht in das Schema paßt, im Nachtprogramm oder wird, weil nicht amüsant genug, am Buß- und Bettag gesendet.

Zu den filmischen Gattungen, die es im Fernsehen besonders schwer haben, gehört der zeitgenössische kurze Animationsfilm. Selten genug wird er ins Programm aufgenommen; oft genug nur, um die Lücke zwischen einem kurzen Spielfilm und dem folgenden Werbeblock zu schließen. Und das geschieht so kurzfristig, daß der interessierte Zuschauer durch keine Programmzeitschrift von der Ausstrahlung erfahren kann.

Die Veranstalter des renommierten Internationalen Trickfilmfestivals Stuttgart waren daher erstaunt, als sich Pro7 kurzfristig entschloß, Sponsor des Festivals zu werden und mit einer 40.000- Mark-Prämie den höchstdotierten Preis in der Geschichte des Wettbewerbs auslobte. Eine vergleichbare Summe hatte bisher nur Mercedes Benz zur Verfügung gestellt. Mit 35.000 beziehungsweise mittlerweile 40.000 Mark unterstützt der Konzern regelmäßig einen begabten Nachwuchsfilmer, der dann im Rahmen eines Stipendiums an der Filmakademie Ludwigsburg ein neus Werk in Angriff nimmt. Die Prämierung überläßt Mercedes Benz der international besetzten Jury des Festivals – die allerdings auch nur einen Erstling prämieren kann, den das Festival im Wettbewerbsprogramm untergebracht wissen wollte.

Doch immerhin werden so Talente gefördert, die sich (noch) abseits vom Mittelmaß bewegen wollen. In diesem Jahr etwa wurde Andreas Hykades bemerkenswerter Zeichentrickfilm „Wir lebten im Gras“ prämiert. Dem Kommentar der Jury, sie sei „sehr gespannt auf seinen nächsten Film“, kann man nur zustimmen: Andreas Hykade erzählt eine schön bizarre Geschichte vom Erwachsenwerden, und seine Bildsprache ist angenehm eigen, ohne angestrengt künstlerisch zu wirken.

Das Engagement von Pro7 sieht anders aus. Der Sender brachte nicht nur eine eigene Jury mit nach Stuttgart, die über die Vergabe des Preisgeldes entscheiden sollte, er gab auch klare Richtlinien vor: „Der Film soll aus einer in sich abgeschlossenen Geschichte bestehen, einen klare narrative Struktur haben und sich durch Humor, Originalität und einen eigenen, spezifischen Charme auszeichnen.“ Darüber hinaus verlangte Pro7 „Innovatives“ sowie „eine gelungene Gestaltung des Tons“. Diese Kriterien, bemerkten viele Gäste des Festivals, entsprechen überdeutlich einer Beschreibung der „Wallace und Gromit“-Filme des britischen Regisseurs Nick Park, der just mit seinem letzten Film „A Close Shave“ große Erfolge feiert. Eine ganze Reihe von Filmen hatte also von vornherein keine Chancen, den „Internationalen Pro-Sieben-Preis für Animation“ zu gewinnen: Nicht jeder Animationsfilmer ist von Haus aus lustig, mögen seine Produktionen auch noch so viel Originalität und spezifischen Charme besitzen.

Pro7 wolle mit seinem Animationsfilmpreis vor allem gegen das Klischee angehen, Trickfilm sei nur etwas für Kinder, erklärt Marie Line Petrequin, Trickfilmbetreuerin von Pro7. Und der Animationsfilm für Erwachsene sei „nicht automatisch der künstlerische Film. Es gibt viele Filme, die sich zwischen den Extremen bewegen, die als Familienunterhaltung funktionieren.“ Trotzdem war der Sender nicht angetreten, seinen späteren Sieger im eigenen Programm zu zeigen oder gar die Rechte an vergleichbaren Filmen einzukaufen. „Wir haben zwar vor, mehr Trickfilme für alle Altersschichten zu zeigen“, sagt Marie Line Petrequin, deren persönliche Vorlieben weit von den Pro7-Kriterien entfernt liegen, „aber mit unserem Preis wollen wir zunächst die Regisseure ermutigen, solche Filme zu machen.“ Bei Pro7 denke man dabei besonders an die osteuropäischen Zeichentrickfilmer, die einst vom staatlichen Fernsehen Aufträge erhielten und sich heute hauptsächlich mit Werbefilmen über Wasser halten: „Da gibt es große Kapazitäten.“

Die Hoffnung, auf dem westeuropäischen Markt Fuß zu fassen und möglicherweise einmal eine Serie produzieren zu können, beschäftigt vor allem russische Animationsfilmer. Sie haben in den letzten Jahren verstärkt auf humoristische Elemente in ihren Filmen gesetzt – obwohl nicht allen die Komik liegt, und der neue russische Witz oft angestaubt wirkt. Mit tragikomischen oder gar traurigen Geschichten, fürchten viele, bleibt der Publikumserfolg aus.

Aber was dem Publikum gefällt, ist nicht immer voraussehbar. Das zeigt die Abstimmung der Zuschauer des Süddeutschen Rundfunks, der ebenfalls einen Preis vergab. Der Sender hatte während des Festivals an jedem Abend eine Auswahl der Wettbebewerbsfilme auf Südwest3 ausgestrahlt. Die Zuschauer stimmten per TED ab und sorgten für eine große Überraschung: Ihr klarer Favorit war ein Puppentrickfilm, der nicht zum Lachen ist und nicht einmal ein glückliches Ende bereithält. In „Quest“ schickt Tyron Montgomery einen aus Sand gebauten Mann auf die Suche nach Wasser, führt ihn durch Papier-, Stein- und Metalllandschaften und läßt ihn schließlich zu Staub werden. Mit Tyron Montgomerys Sieg hatten selbst die Programmacher nicht gerechnet, berichtet Brgitte Dithart aus der Südwest-3-Redaktion.

An Sendeplätzen für Animationsfilme mangelt es auch in diesem Programm. Allerdings hofft Brigitte Dithart, demnächst einmal eine lange Trickfilmnacht planen zu können, „vielleicht im Herbst.“ Mit durchschnittlich 40.000 Zuschauern pro Sendung sowie weiteren 30.000 außerhalb des Sendegebiets sei die Reaktion auf die Animationsfilmabende „nicht schlecht“ gewesen, freut sie sich. Das sind gute Fernsehnachrichten für den Animationsfilmfreund.

Die Pro7-Jury fällte natürlich eine erwartbare Entscheidung: Sie teilte ihren Preis und vergab ihn je zur Hälfte an das Wallace-und- Gromit-Abenteuer „A Close Shave“ und die russische Zeichentrickkomödie „About Love and Fly“ von Andrej Ushakov.

Was wiederum die Festivaljury vom „Internationalen Pro-Sieben- Preis für Animation“ hielt, machte sie mit der Auswahl ihrer Preisträger deutlich. Sie setzte nicht nur auf bislang unbekannte Filmemacher, sondern auch ein Zeichen: Mit „Vision“ von Kilian Dellers wurde nach langer Zeit erstmals wieder ein experimenteller Animationsfilm gewürdigt. Carola Rönneburg