Argentiniens Generäle werden Unternehmer

■ Mit allerlei Aktivitäten versucht die machtgewohnte Armee, Geld zu verdienen

Buenos Aires (taz) – Während der siebenjährigen Militärdiktatur von 1976 bis 1983 waren die argentinischen Militärs wegen ihrer blutigen Repression berüchtigt. Tausende politischer Gegner wurden ermordet oder „verschwanden“. Einige wurden aus Flugzeugen lebendig ins Meer geworfen. Unzählige Morde aus dieser Zeit sind bis heute nicht aufgeklärt. Aber es ist nicht etwa der Druck von Menschenrechtsorganisationen, der Argentiniens Militärs heute in Verlegenheit bringt: Dem Militär wird schlichtweg der Geldhahn zugedreht.

Seit dem Ende der Militärdiktatur im Jahr 1983 sank das Militärbudget Argentiniens bis heute von 587 auf 132 Millionen US-Dollar. Gleichzeitig wurden hohe Militärs nach Hause geschickt. Die Zahl der Generäle sank von 70 auf 37, die der Offiziere verringerte sich um zirka 2.600. Für die an Macht und Einfluß gewohnten Generäle bricht damit ein neues Zeitalter an. Durch allerlei mehr oder weniger phantasievolle Aktionen versuchen sie, an Geld zu kommen.

In der 1806 gegründeten Patricios-Kaserne in Buenos Aires baut auf der einen Seite des Geländes eine Supermarktkette ein riesiges Shopping-Center. Allein die Supermarktkette legt monatlich 100.000 Dollar Miete in die Kasse der Militärs. Auf der anderen Seite hat Pepsi Cola gigantische Werbetafeln aufgestellt – exakt an der Stelle, wo zu Zeiten der Militärdiktatur Schilder mit der Aufschrift „Nicht parken, nicht anhalten, oder Soldaten werden schießen!“ standen. Und der Exerzierplatz der Kaserne wurde vergangenen Dezember von einer Modeagentur für eine Glitzerparty gemietet.

„In dieser neuen Ära der Budgetkürzungen haben wir keine andere Wahl, als unnötige Ausgaben zu vermeiden und neue Geldquellen zu schaffen“, kommentiert Verteidigungsminister Oscar Héctor Camilión. Da das Militär der größte Grund-und-Boden-Eigner des Landes ist, versucht es vor allem durch Vermietungen seine dürftige Finanzsituation aufzubessern. „Wenn das bedeutet, einen Raum für eine Party zu vermieten oder überflüssiges Material zu verkaufen, dann geschehe dies so, solange es den militärischen Alltag nicht beeinflußt“, sagt Camilión.

Seit das Militär Profit machen muß, ist der soldatische Alltag ohnehin ein anderer geworden. Stramme Jungs fahren auf Militärbooten Touristen in Patagonien durch die Gegend oder beladen die Schiffe der Kriegsflotte mit kommerzieller Ladung. Etwa 80 Prozent aller Frachtstücke auf den Schiffen der argentinischen Marine werden für Privatkunden durch die Gegend geschippert. Auf der Landebahn des Lufwaffenstützpunktes von Monte Caseros, in der nordöstlichen Provinz Corrientes, fahren an Wochenenden Rennwagen um die Wette. Die privaten Rennveranstalter machen dabei ein gutes Geschäft. Die Rennen erfreuen sich eines regelrechten Besucheransturms.

„Wir begrüßen den Prozeß der Veränderung, in dem die Streitkräfte nicht mehr ihre Privilegien genießen können und statt dessen dieselbe Behandlung erfahren wie andere Teile der Gesellschaft“, freut sich Martin Abregú vom Zentrum für Rechts- und Sozialstudien in Buenos Aires. Die Generäle sind wenig erfreut über ihre stiefmütterliche Behandlung. Sie behaupten, für einen Ernstfall nicht gewappnet zu sein. Die Einsparungen führten dazu, daß gerade einmal die Hälfte der Luftwaffenpiloten tatsächlich zu fliegen in der Lage seien, weil sie zuwenig Training hätten.

Die Regierung von Präsident Carlos Menem ist ungnädig mit dem Zuschußunternehmen Militär. Menem hat nicht nur die Wehrpflicht abgeschafft, sondern auch den Sold der Soldaten gekürzt. Selbst Heereschef Martin Balza bringt im Monat gerade einmal 3.000 US-Dollar mit nach Hause. Wie viele ihrer Landsleute sind die Soldaten daher auf Nebeneinkünfte angewiesen. Sie kommen bei Sicherheitsfirmen unter oder verdingen sich als Taxifahrer das nötige Zubrot.

Die Einsparungen trafen das Militär so hart, daß die Streitkräfte vergangenes Jahr nicht einmal ihre Stromrechnung bezahlen konnten. Die Elektrizitätsfirma knipste daraufhin in den Kasernen kurzerhand das Licht aus. Ingo Malcher