Da war es nur noch einer

■ Bei Nachwahlen verlieren die Tories erneut ein Mandat. Im Herbst dürften sie keine Parlamentsmehrheit mehr haben

Dublin (taz) – Dabei sollte diesmal alles anders werden. Als der britische Schatzkanzler Kenneth Clarke vorige Woche zum Wahlkampf nach Südost-Staffordshire fuhr, wo am Donnerstag wegen des Todes von David Lightbown ein neuer Unterhaus-Abgeordneter gewählt wurde, schöpften viele Tories neue Hoffnungen. Aber dann wurde es doch wieder eine verheerende Niederlage. Sie fiel sogar weit deutlicher aus, als sich selbst die Labour Party erhofft hatte: Am Ende hatte der Labour-Kandidat Brian Jenkins mehr als doppelt soviele Stimmen wie sein Tory-Kontrahent Jimmy James. Sein Vorsprung lag bei 14.000 – und das in einem traditionellen Tory-Wahlkreis.

Die anderen elf Kandidaten spielten keine Rolle. Einer von ihnen ist von der Polizei verhaftet worden: „News Bunny“, der 85 Stimmen gewonnen hatte, war als weißes Riesenkarnickel verkleidet.

John Majors Unterhausmehrheit ist nun auf einen einzigen Sitz zusammengeschrumpft. Tory-Parteistrategen suchten verzweifelt nach einem Silberstreif am Horizont. Man sei etwas glimpflicher davongekommen als bei anderen Nachwahlen in letzter Zeit, hieß es. Das sei ein Beweis, daß die Anti- Regierungsstimmung langsam umschlage.

Dieselben Strategen hatten die Nachwahl vorher als „wichtigste in dieser Legislaturperiode“ bezeichnet, weil sie als Barometer für den von Major beschworenen „Zufriedenheitsfaktor“ galt. Daß die Niederlage trotz Steuerkürzung und allmählich sinkender Arbeitslosigkeit so drastisch ausfiel, läßt für die Tories bei den Kommunalwahlen im kommenden Mai nichts Gutes erwarten. Für den Schatzkanzler war es eine persönliche Niederlage: Clarke hatte verkündet, daß James „erster Nutznießer des wachsenden Zufriedenheitsfaktors“ sein würde.

Spätestens im Herbst werden die Tories ihre Parlamentsmehrheit verloren haben. Im Schnitt stirbt alle drei Monate ein Tory- Abgeordneter. Darüber hinaus haben zwei Hinterbänkler gedroht, die Fraktion zu verlassen. Der siegreiche Jenkins sagte gestern, Major solle zur Queen in den Buckingham-Palast fahren und seinen Rücktritt einreichen. „Mein Sieg ist das bisher deutlichste Zeichen“, sagte er, „daß Labour die Partei des Mainstream ist.“

Labour-Chef Tony Blair ist dabei, auf seinem dreitägigen Besuch in den Vereinigten Staaten in dieselbe Kerbe zu hauen. Labour sei die Partei „der radikalen Mitte“, sagte er am Donnerstag vor 600 Geschäftsleuten in New York, sie stehe für „niedrige Steuern, Unternehmergeist und Gerechtigkeit“. Das war eine erneute Kampfansage an die Überreste des linken Parteiflügels. Indem er Labour in die Mitte rückt, will Blair die Tories immer weiter nach rechts schieben. Den Euro-Gegnern vom rechten Tory-Flügel kommt das gelegen: Sie bezeichneten sich gestern als „innerparteiliches Zünglein an der Waage“. Ralf Sotscheck