„In Bremen lebt man in Wohnungen“

■ Andernorts nicht unbedingt – Bauwagenkolonien im Städtevergleich / In Bremen wird vertrieben, in anderen Städten drücken die Behörden schonmal ein Auge zu

Hartmut Spiesecke, persönlicher Referent des Bausenators Bernt Schulte (CDU), ist ein Mann mit Prinzipien. „In Bremen lebt man in Wohnungen. Das ist nun mal so.“ Für die zehn Bauwagenbewohner, die ihre rollenden Behausungen derzeit durch die Stadt ziehen, hat der studierte Literaturwissenschaftler „wenig Sympathien“ übrig. Und auch die Stadt kennt kein Pardon.

Die Bauwägler wollen ein Gelände von der Stadt pachten, um dort in einer Bauwagenkolonie zu leben. „Es gibt gar kein städtisches Grundstück dafür“, wehrt Spiesecke ab. „Außerdem ist das in Bremen verboten.“

Verboten ist das auch andernorts. Die etwa 100 Bauwagenkolonien, die es bundesweit geben soll, verstoßen entweder gegen das Bauordnungsrecht, das Wohnwagengesetz oder gegen beides. Doch während sich Bremen streng an die Buchstaben des Gesetzes hält, drücken die Behörden andernorts ein Auge zu.

In Oldenburg zum Beispiel. Seit Mai 1995 leben die Rollheimer des „Vereins zur Förderung des selbstbestimmten Lebens“ in zwölf Bauwagen auf einem zentral gelegenen Grundstück am Hafen.

Das Gelände haben sie für 1.000 Mark im Monat von der Stadt gepachtet. Toiletten, Zu- und Abwasserleitungen mußten die Bauwagenkolonisten auf eigene Kosten installieren lassen – so will es der Pachtvertrag, der demnächst ausläuft, aber um ein weiteres Jahr verlängert werden soll. „Eigentlich verstößt diese Wagenburg gegen das Gesetz“, räumt Jürgen Krogmann, Pressesprecher der Stadt Oldenburg, ein. „Die Leute werden aber geduldet.“

Das war nicht immer so: Drei Jahre lang versuchten die Behörden, die Rollheimer loszuwerden. Per Räumungsklage vertrieb die Stadt Oldenburg die Bauwägler von einem besetzen Grundstück und beschlagnahmte ihre Wagen. Die Rollheimer campierten aus Protest vor dem Rathaus und weckten die Sympathien einiger Bürger. Die Oldenburger gründeten einen Verein, um die Bauwägler zu unterstützen. Auch die Politiker wurden hellhörig.

„Irgendwann haben wir gesagt, so kann das nicht weitergehen“, erinnert sich Peter Jacobs, Fraktionschef der Oldenburger SPD. Gemeinsam mit den Grünen boxten die Sozialdemokraten im Verwaltsausschuß durch, daß den Bauwäglern ein Grundstück zur Verfügung gestellt wurde. Als auch die Bezirksregierung keine Einwände hatte, zogen die Bauwägler „an den Stau“ im Oldenburger Hafen. „Seitdem haben wir Ruhe“, resümiert Jacobs.

Eine Erfahrung, die auch die Wiesbadener Behörden gemacht haben. Fünf Jahre lang stritt sich die Stadt mit Bauwäglern, die sich für ihre Wagenkolonie ein besonders idyllisches Plätzchen ausgesucht hatte: den Freudenberger Schloßpark. Dort campierten die „Schloßpark-Freaks“ unter knorrigen Eichen und wollten partout nicht gehen. „Geräumt wurde allerdings nie“, sagt Monika Emisch, Pressereferentin der Stadt. „Die Stadt hat von Anfang an versucht, sich mit den Wagenburglern gütlich zu einigen.“

Das gelang schließlich auch nach zähen Verhandlungen. Für 2.400 Mark monatlich pachteten die Wagenburgler im November 1995 von der Stadt einen ehemaligen Schützenplatz. Seither leben sie in friedlicher Nachbarschaft mit dem Schützenverein „Burgfalken“. Ein übermannshoher Zaun trennt die Wagenburgler von den Schützenbrüdern – allerdings nicht um Konflikte zu vermeiden, sondern um die Bauwäglern vor den Querschlägern der Burgfalken zu schützen.

„Willkommen sind uns die Wagenburgler nicht“, betont Monika Emisch. „Schreiben Sie bitte nicht, daß die jetzt alle nach Wiesbaden kommen sollen. Die Stadt hat damals nur versucht, aus der Situation das Beste zu machen.“

Das versuchen auch die Hamburger Behörden. „Wir haben drei Wagenplätze in Hamburg. Wieviele Wagen dort stehen und wieviele Menschen darin leben, weiß niemand“, verrät ein Mitarbeiter der Behörde. „Die Plätze sind illegal. Die Bezirksämter sehen weg und drücken die Augen zu. Solange alles ruhig ist, wird auch nicht geräumt. Aber das kann Ihnen offiziell natürlich niemand sagen, denn eigentlich ist das ja alles gegen das Gesetz.“

kes