: Bildungs-Etat fährt gegen die Wand
■ In den nächsten beiden Jahren fehlen mehr als 57 Millionen Mark / Bremerhaven soll bluten
Bringfriede Kahrs geht schweren Wochen entgegen. Am Dienstag will die Bildungssenatorin dem Senat erklären, daß sie in den kommenden beiden Jahren im Bildungsbereich nicht mit dem Haushaltsgeld klarkommt. Das geht aus einem Entwurf zu einer Senatsvorlage aus dem Haus der Senatorin hervor, der Ende letzter Woche ohne Erfolg in der Koalitionsspitze beraten worden ist, und der der taz nun vorliegt. Nach den bisherigen Rechnungen fehlen der Bildungssenatorin mehr als 57 Millionen Mark, gemessen an den Eckwerten, die der Senat für den Haushalt beschlossen hat. Und im Bildungsressort gibt es kaum Vorstellungen, wie dieses Defizit aufgelöst werden könnte. Im wesentlichen nur eine: Bremerhaven soll zur Ader gelassen werden. Nach der Kahrsschen Sparrechnung sollen im laufenden Jahr mehr als 7,8 und im nächsten mehr als 12 Millionen Mark weniger aus dem Bildungshaushalt nach Bremerhaven überwiesen werden als bisher. Dabei sieht es überhaupt nicht danach aus, daß die Koalition ihr dabei folgen wird.
Schon im letzten Jahr hatte das Bildungsressort mehr ausgegeben, als es eigentlich in der Kasse hatte. Knapp 3,4 Millionen Mark mußten rot geschrieben werden, die wurden wegen fehlender Einsparideen auf den 1996er Etat übergewälzt. Da treffen sie auf reichlich weitere rote Zahlen. Der Senat hat für dieses und das nächste Jahr Kürzungen im Bildungsbereich von jeweils rund 17 Millionen Mark beschlossen. Die sollte Kahrs gegenüber dem Etat einsparen, den sie eigentlich haben wollte. Jetzt stellt sich heraus: Selbst wenn die Landesregierung die Pläne der Bildungssenatorin gebilligt hätte – auch das hätte nicht gereicht. Inklusive der 3,4 Millionen aus dem letzten Jahr klafft im Kahrsschen Haushalt für dieses Jahr ein Loch von mehr als 32 Millionen, für das nächste Jahr fehlen mehr als 25 Millionen Mark.
Große Ratlosigkeit herrscht bei der Frage, wie das Defizit aufgelöst werden könnte. Im Zuge der vom Senat beschlossenen SenatorInnen-Budgets könnte sich der Bildungsbereich aus anderen Töpfen bedienen – aber da ist nichts zu holen, rechnet das Kahrs-Papier vor. In den Sprengel der Senatorin fallen neben der Bildung noch die Ressorts Kultur, Sport und Wissenschaft. Der Kulturhaushalt wurde gerade von der Koalition unter größten Mühen mit ein paar Brosamen aufgepäppelt, der Sport-Haushalt ebenso. Und beim Wissenschaftshaushalt sei das Ende der Sparfähigkeit erreicht. Aus dem seien im letzten Jahr fast 3,8 Millionen Mark gepreßt worden, wenn nun wieder gepreßt würde, dann müßte beispielsweise die Uni-Bibliothek ganz aufs Bücherkaufen verzichten.
Bleibt also nun der Bildungshaushalt selbst. Und da beginnt das Bildungsressort fragwürdige Rechnungen aufzumachen. So werden rund 32,5 Millionen Mark pro Jahr für die Finanzierung des BAföG ausgegeben. Legt man die Sparquote an, dann müßten in diesem Bereich in den nächsten beiden Jahren jeweils mehr als 5,3 Millionen Mark eingespart werden. „Aufgrund seiner Rechts- und Zweckbindung entzieht sich dieser Betrag jeglicher Möglichkeit zur Beeinflussung oder Bewirtschaftung“, heißt es in der Vorlage. Was das Bildungsressort aber nicht daran hindert, eben diese Sparbeträge, die eigentlich gar nicht zu erbringen sind, weiter hinten im Text als Möglichkeit aufzulisten. Und ganz nach diesem Muster verfährt das Ressort auch bei möglichen Kürzungen der Zuschüsse an die Privatschulen. Die Koalition hat die Privatschulen aus den Kürzungsrunden herausgenommen – die Bildungssenatorin rechnet mit Kürzungen von 5,1 Millionen Mark im 96er Etat und mehr als 4,6 Millionen im kommenden.
Das Sparmesser legt das Bildungsressort eigentlich nur an einer Stelle an: Bremerhaven. Da will das Haus Kahrs mit einem Kuriosum aufräumen. Denn bislang werden die Bremerhavener Schulen komplett aus dem Landeshaushalt finanziert. Die Stadtgemeinde Bremen dagegen bekommt nur 95 Prozent ihrer Schul-Ausgaben vom Land. Wenn nun Bremerhaven auf das Bremer Niveau heruntergeschraubt würde, dann müßte das Land summa summarum für zwei Jahre fast 20 Millionen Mark weniger überweisen.
Rechnet man alle realistischen und unrealistischen Kürzunegen zusammen, dann bleibt aber immer noch ein Defizit im 96/97er Doppelhaushalt von mehr als elf Millionen Mark. Wie mit denen – und dem Fehlbetrag, der dann doch nicht eingespart werden kann – umgegangen werden soll, das verrät das Papier auch schon: Die „restlichen Fehlbedarfe“ müßten halt auf die Haushaltsjahre 1998 und 1999 übertragen werden.
In der Koalition ist das Kahrssche Papier auf alles andere als Gegenliebe gestoßen. Insbesondere der Angriff auf das Bremerhavener Portemonnaie verspricht ein Maximum an politischem Krawall, und zwar mit den BremerhavenerInnen in beiden Fraktionen der Großen Koalition, heißt es hinter den Kulissen. Und die CDU scheint kein gesteigertes politisches Interesse an der Rettung der SPD-Bildungssenatorin zu haben, zumal alle anderen Teilhaushalte unter Dach und Fach zu sein scheinen. So läuft alles darauf hinaus, was unter den Haushaltsexperten aller Fraktionen sowieso schon ausgemachte Sache scheint: Die Vorlage wird vom Senat vertagt, und der Streit um den Bildungshaushalt wird sich wohl bis zu den Haushaltsberatungen im Juni hinziehen. J.G.
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