■ KaDeWe benachteiligt
: Pute aus London

Das Kaufhaus des Westens am Tauentzien, wo man frische Freilanderdbeeren vom Südpol kaufen kann, ist im weltweiten Wettbewerb der Supermärkte unter Druck geraten. Gerade das britische Nobelgeschäft Harrods bringt der deutschen Konkurrenz harte ökonomische Schläge bei. Hat doch Ihrer Majestät Supermarkt in London jeden Samstag bis 18 Uhr geöffnet, während das KaDeWe um 14 Uhr schließen muß. In diesen vier Stunden fließen gigantische Geldströme unter dem Kanal hindurch nach Großbritannien. Harrods scheut sich nicht, die Berliner Konsumenten aggressiv zu umwerben, um sie an die Themse zu locken.

Merkwürdig, daß KaDeWe-Chef Wilhelm Stratmann erst jetzt beginnt, dieses Phänomen in seiner ganzen Dimension zu verstehen. Das liegt vielleicht daran, daß er sich um seinen Einkauf nicht selber kümmern muß. In unserer Wohngemeinschaft dagegen ist es schon seit geraumer Zeit üblich, samstags nach London zu fliegen. Vorgestern erst wieder: Kaufrausch am Tauentzien hatte gerade zugemacht, als ich entdeckte, daß keine Hummerschwänze im Kühlschrank sind. Marcus hatte zwar Sojaschnitzelchen gekauft, aber die marinierten Putenbrüstlein an Ingwerpaste vergessen. Was tun, prolomäßig zur Tanke und eingeschweißtes Eisbein kaufen? Lieber nach Tegel: British Airways, 519 Mark. Um 17 Uhr kann man bei Harrods an der Delikatessentheke stehen und nebenbei für die Freundin einen Tweed-Blazer abgreifen (nur 880 Mark).

Die Hummer sind billiger dort, der Trip rechnet sich. Zumal mein Arbeitgeber das Flugticket gerne als Recherchereise verbucht und die Jacke als Spesen. Trotzdem bin ich nicht darauf festgelegt, aristokratisch zu shoppen. Hätte das KaDeWe geöffnet, würde ich hier kaufen. Aber nur Garnelen mit Goldkante. Hannes Koch