Der Rand eines Randsports

Nicht viel zu gewinnen gab es trotz guter Leistungen für die deutschen Rugbyfrauen bei der Europameisterschaft in Spanien, an der sechs Teams teilnahmen  ■ Von Rainer Hennies

Berlin (taz) – Exotisch anmutende Sportarten bezeichnet man gerne als Orchideensportarten und vermutet eine gewisse Farbenpracht dahinter. Etwas Kleines, Feines, fast Exklusives. Auch das Rugby darf sich, trotz großer Tradition, mittlerweile als Orchideensport fühlen. Das Frauenrugby allemal, das zunächst einmal bei den Männern im eigenen Verband um Anerkennung kämpfen muß.

„Wir sind zwar nur der Rand einer Randsportart, aber ich will hier was bewegen“, sagt Reiner Österle. Der 38jährige Coach vom RC Rottweil, Deutscher Frauenmeister 1994, ist seit ein paar Wochen neuer Inhaber des zuvor verwaisten National-Trainerpostens. Volker Himmer, unter anderem Geschäftsführer des Deutschen Rugbyverbandes (DRV), hatte im letzten Frühjahr wegen Arbeitsüberlastung aufgegeben, nachdem mit ihm das Nationalteam erste Erfolge feiern konnte. Österle will diese Arbeit fortsetzen. „Ein Notnagel jedenfalls bin ich nicht, sondern jemand, der anpacken will und sich deshalb nicht einfach wegdrücken läßt.“ Neues Selbstvertrauen will Österle aufbauen. Klar, daß ihm sportliche Erfolge dabei äußerst hilfreich sind. Der erste Termin, sich zu beweisen, war das Europameisterschaftsturnier mit sechs Nationen vom 10. bis 14. April in Madrid. Keine Frage, eine Mini-EM. Ohne Vorabqualifikationen. Deutschland, die Niederlande, Spanien in der einen, Rußland, Italien und Frankreich in der anderen Gruppe. Ein kleines, aber feines Feld. Und für das DRV- Team galt es, Bescheidenheit zu üben.

Wie die EM-Teilnahme zu finanzieren sei, war lange ungewiß angesichts chronisch leerer Verbandskassen und dem geringen Stellenwert des Frauenrugby. Am Ende standen 4.000 Mark aus der verbandseigenen „Erich-Kraft- Stiftung“ und 500 Mark Eigenanteil jeder Spielerin. „So etwas darf es künftig nicht mehr geben“, schimpft Reiner Österle. Auch seine Spielerinnen sind nicht gerade glücklich, ständig nur drauflegen zu müssen. „Man kann nicht permanent von uns Eigenleistungen dieser Art erwarten. Auf Dauer macht das niemand mit“, sagt etwa Rekordnationalspielerin Susanne Zubrod (SC Neuenheim, elf Länderspiele). „Ich hör' immer nur: Wir haben kein Geld. Aber irgendwie muß es mal losgehen“, gibt sich Reiner Österle kämpferisch. Alte Strukturen im Verband, Prioritäten und Gewohnheitsrechte will er künftig stärker in Frage stellen.

„Das mit dem Eigenanteil konnte zwar nicht abgewendet, aber individuell gelöst werden. Viele Vereine sind in die Bresche gesprungen“, sagt DRV-Frauenwartin Gisela Hansen. Beispiel Ricklingen: Der DRC gab die Hälfte für seine drei Spielerinnen per Vorstandsbeschluß. Dann geschah Ungewöhnliches im Clubheim: Einer sprang auf und legte einen Schein auf den Tisch: „Für die Damen.“ Es wurden immer mehr, solange bis die 750 Mark abgedeckt waren und die Urlaubskassen von Conny Golka, Nanette Mathes und Katja Bräunig verschont bleiben konnten. Daß das Nationalteam 25 Stunden mit dem Bus zur EM nach Madrid fuhr, war dennoch nicht zu vermeiden. Mit an Bord: Zwei eigene Trikotsätze, die es vor zwei Jahren noch nicht gab.

Sportlich ging es in Madrid darum, sich einigermaßen aus der Affäre zu ziehen. Trotz zweier Niederlagen in den Gruppenspielen ist das auch gelungen. Das 0:53 gegen Titelaspirant Spanien ist zwar ein dicker Brocken, aber vor Jahresfrist hieß es gegen eine katalanische Regionalauswahl noch 0:78. Wenn Verbinderin Conny Golka mit ihrem Straftritt etwas mehr Glück gehabt hätte, hätte es sogar drei deutsche Punkte gegeben. Die gelangen tags darauf Susanne Meurer. Eine gute halbe Stunde schien das DRV-Team gegen die Niederlande nach dieser frühen 3:0 Führung (3.) auf der Siegerstraße. Doch dann sorgten je ein Versuch vor und kurz nach Ende der Halbzeitpause für zehn Oranje-Punkte. Am Ende hatte Deutschland stark gespielt, körperlich mitgehalten, aber doch die entscheidenden Konter kassiert und mit 11:29 verloren. Trost: es war die bisher knappste Niederlage. Anstelle des erträumten Spieles um Platz drei ging es gegen Italien um die Ränge fünf und sechs.

„Jedes Länderspiel macht uns erfahrener und stärker“, sagt Conny Golka (32). „Es ist schon gut, daß wir überhaupt teilnehmen durften. Andere Verbände haben ja ganz gekniffen“, so ihre Vereinskollegin Nanette Mathes. Reiner Österle freut sich jedenfalls über den Kampfgeist und das Engagement der Frauen. An Motivation hat es nicht gefehlt. Bestes Beispiel ist die Studentin Susanne Zubrod aus Heidelberg. Die 28jährige ließ sogar eine Examensklausur sausen. „Ich hab mir lange überlegt bis ich gesagt habe: Okay, ich mach' mit“, erzählt sie. „Denn irgendwie ist eine EM nicht ein normales Länderspiel, sondern so etwas wie der Höhepunkt der Karriere.“