Regen bringt Segen

■ Ab heute regnet Jörg Kachelmanns "Wetterkanal" auf uns hernieder - zunächst nur via "Kopernikus", 23 Grad Ost

Fragen Sie sich auch immer, ob Sie nun mit oder ohne Regenschirm das Haus verlassen sollen? Oder wollen Sie morgen vielleicht Ihre Fenster putzen? Sind Sie gar im Besitz eines Schrebergartens, der sich fern der Heimat auf irgendeiner erdigen Landscholle befindet und dessen Rosenrabatten ständiger Wasserzufuhr von oben bedürfen? Dann können Sie sich jetzt beruhigt zurücklehnen. Vorausgesetzt, Ihre, hoffentlich vorhandene, Satellitenschüssel ist auf den Exoten „Kopernikus“ 23 Grad Ost ausgerichtet.

Dort ist seit heute der „Wetterkanal“ zu empfangen. Das derzeit nur halbstündige Programm mit Wettervorhersagen unterschiedlichster Art, Pollenflugwarnung und Reisetips wird erst einmal von 9 bis 17 Uhr zu empfangen sein und alle zwei Stunden aktualisiert. Somit sei sichergestellt, daß wir immer in der Lage sind, „die optimalen Entscheidungen, beruflich, international, national, regional und lokal“ zu treffen, verspricht die Werbebroschüre des Kanals mit Sitz in Düsseldorf vollmundig.

Das angeblich „revolutionäre“ Konzept existiert in den USA unter dem Namen „The Weather- Channel“ schon seit mehr als zehn Jahren – und ist sogar einigermaßen erfolgreich. An seinem deutschen Ableger ist der US-Sender mit 45 Prozent beteiligt. Weitere 25 Prozent hält die Holtzbrinck- Verlagskette zusammen mit Mayrs Geographischem Verlag, der Rest verteilt sich auf die Deutsche Fernsehagentur (15 Prozent), die Gesellschaft für Telekommunikation (10 Prozent) und die Klausnitzer GmbH (5 Prozent). Damit die Gesellschafter mit ihrem Projekt nicht im Regen stehen, haben sie sich die Dienste des Schweizer Oberwetterfroschs Jörg Kachelmann gesichert. Der Schöpfer solcher Wortungetüme wie „Meck-Pomm“ (Mecklenburg-Vorpommern) gilt als Erfinder des „Entertainment- Wetterberichtes“. Vollmundig schwärmt der Initiator des Projekts Rudi Klausnitzer: „Kachelmann wird für das Wetter werden, was Gottschalk in der Unterhaltung ist.“ Mal abgesehen davon, daß Gottschalk seine sonnigste Zeit längst hinter sich hat, ist damit wohl zweierlei gemeint: Zum einen Kachelmanns seit Jahren bewährtes Konzept: keine dröge Verkündung irgendwelcher Hochs und Tiefs, sondern immer einen kessen Spruch auf den Lippen. Vor allem locker und flockig muß das Wetter erklärt werden. Genau das richtige für den Wettersender, der Kachelmann konsequenterweise gleich zum Programmdirektor gemacht hat. Zum anderen wird Kachelmann wie Gottschalk künftig zwischen einem öffentlich-rechtlich und seinem privaten Sender switchen: Großzügig gewährte sein alter Haussender ARD den Seitensprung: Zwar ist Kachelmann im Programm seines neuen Senders bislang nur auf Werbetrailern aufgetaucht, aber über Bildschirmpräsenz ist „eine grundsätzliche Einigung mit der ARD erzielt worden“, so die wage Formulierung. Egal: Die Arbeiten leisten bisher nur unbekannte Ansager. Die zwar fleißiger sein mögen, deren Qualifikation aber höchst zweifelhaft zu sein scheint. Mitte letzter Woche startete die westfälische Lokalpresse einen Notruf, in dem „Hobbywetterfrösche“ aufgefordert wurden, sich per Fax als Wettermoderator bei „Kachelmann-TV“ zu bewerben. Offensichtlich gab es einen Personalengpaß. Casting für die Laienmeteorologen war bereits drei Tage später. Schnelligkeit gehört eben zur Sendephilosophie, ebenso wie die Lokalität der Vorausschauen.

Durchschnittlich alle 5–10 Minuten wird zunächst ein zweiminütiges Lokalfenster in das laufende Hauptprogramm eingebaut. Bis Ende des Jahres, dann hofft man auch in einigen Kabelnetzen empfangbar zu sein, sind dann ca. 100 lokale Wetterregionen geplant. Dann soll der Sender mit seinem 24-Stunden-Programm rechnerisch acht Millionen Haushalte mit Busineß-Wetter, Reise-Wetter, Bundesliga-Wetter, Bio- und Gartenwetter, aber auch mit einigen Reisedokumentationen versorgen.

Die Macher des Spartenkanals geben sich trotz der noch geringen Reichweite ihres Senders zuversichtlich: Bei jährlichen Betriebskosten von 35 Millionen Mark wollen sie bereits 1999 in die schwarzen Zahlen kommen. Schon im ersten Jahr nach der Kabeleinspeisung sollen 20 Millionen Mark Werbeeinnahmen in die Kassen fließen. Man mag da seine Zweifel haben, sind doch – anders als in den USA – monothematische Spartenkanäle wie der Nachrichtensender n-tv, das Deutsche Sportfernsehen oder der Frauenkanal TM3 immer noch eher randständige Blüten im allgemeinen Programmfluß. Die Wetterfrösche rund um Kachelmann verweisen auf aber Umfragen, nach denen über 80 Prozent der Deutschen Wert auf aktuelle Wettervorhersagen legen. Damit wir endlich wissen, ob wir nun den Regenschirm mitnehmen sollen – damit es dann (wie immer!) nicht regnet. Martin Busche