Brandschutzkonzept auf neuesten Stand bringen“

■ NRW-Umweltminister Michael Vesper (Grüne) zu den Konsequenzen nach dem Flughafenbrand: „Ich gehe davon aus, daß nun halogenfreie Kabel verlegt werden“

taz: Wie können zig sicherheitstechnische Mängel auf einmal auftreten, wie im Düsseldorfer Flughafen, und eine solche Brandkatastrophe auslösen?

Michael Vesper: Die wichtigere Frage für mich ist, wie sich das Feuer so schnell und vor allem ungehindert ausbreiten konnte. Das darf nicht sein bei einem solchen Gebäude. Daraus leitet sich die weitere Frage ab, welche Konsequenzen zu ziehen sind – für Düsseldorf und für andere große öffentliche Gebäude. Mich erinnert dieser Brand sehr an ein Feuer in einem Düsseldorfer U-Bahnhof und im Aachener Klinikum vor einiger Zeit, wo es ähnlich zuerst in den Kabelschächten geschmort und dann gebrannt hat.

Es ist doch klar, daß auch im Düsseldorfer Flughafen die PVC- Kabelummantelungen für die rasend schnelle Verbreitung des Feuers und des toxischen Qualms gesorgt haben...

Offenbar waren mehrere Kunststoffe beteiligt, u.a. PVC. Dies ergeben erste Messungen, die PVC-typische Dioxinbelastungen des gesamten Ankunfts- und Abflugbereichs anzeigen. Ich denke seit langem über alternative Baustoffe nach. Für Kabelummantelungen gibt es diesen Werkstoff längst, nämlich halogenfreie Kabel. Auch die Schadensversicherer fordern mittlerweile, daß in Gebäuden mit großen Menschenansammlungen oder hohen Sachwerten solche Kabel verwendet werden. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß bei dem Wiederaufbau der zerstörten Flughafengebäude noch einmal auf PVC zurückgegriffen werden könnte.

Wird das PVC ganz entfernt werden?

Ich gehe davon aus, daß halogenfreie Kabel verlegt werden. Ich halte es aber vor allem für notwendig, daß das Brandschutzkonzept auf den heutigen Standard gebracht wird.

Was bedeutet das? Bestanden die Mängel auf dem Düsseldorfer Flughafen in den zu weit voneinander entfernten Brandschutzwänden?

In der Ankunftshalle gibt es zwei Brandrolltore, die auch funktioniert haben. Diese beiden Tore sind aber mehr als 200 Meter voneinander entfernt. Nach der Landesbauordnung müssen ausgedehnte Gebäude durch Trennwände in höchstens 40 Meter lange Brandabschnitte unterteilt werden. Ausnahmen sind möglich, wenn die Nutzung des Gebäudes es erfordert und wenn wegen des Brandschutzes Bedenken nicht bestehen. Dies wurde alles in den 70er Jahren nach dem damaligen Stand der Technik entschieden. Jetzt müssen wirksame Feuerschutzmaßnahmen ergriffen werden.

Bei der letzten Brandschutzprüfung wurde gerade für die VIP- Lounge der Air France, wie jetzt bekannt wurde, vor 14 Tagen eine zusätzliche Sicherungstür gefordert. Warum wurde sie nicht eingebaut?

Bei der Brandschau im März wurden einzelne Maßnahmen vorgeschlagen, um Mängel zu beheben. Ein Grundproblem beim Düsseldorfer Flughafen besteht darin, daß er in einer Zeit geplant und gebaut wurde, als es zum Standard gehörte, aus Angst vor terroristischen Übergriffen Flughäfen nach außen zumindest zum Rollfeld so hermetisch wie möglich abzusichern. Das kollidiert mit den Brandschutzinteressen, Fluchtwege nach außen zu ermöglichen. In der Air-France-Lounge war es nun so, daß es keine direkte Verbindung nach außen gab. Alle drei Ausgänge, die brandordnungsrechtlichen Anforderungen wohl genügten, mündeten auf eine Galerie, die schon verraucht war.

Hatten die Menschen dort überhaupt noch eine Chance, zu überleben?

Man muß da erst einmal die genauen Untersuchungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und Sachverständigen abwarten, aber im Prinzip hätten sie gerettet werden können, wenn ein Fenster zur Abflughalle nicht von einem Passagier zerstört worden wäre, und die Türen der Lounge geschlossen geblieben wären. Interview: Petra Welzel