Der schwulste Strich

■ Ein neuer Materialienband zeigt Comiczeichner Ralf König aus der Nähe

Eigentlich ist Ralf Königs Story eine Erfolgsgeschichte wie aus dem amerikanischen Mythos: der kleine Jungschwule, der nach der Schockbegegnung mit schwuler Freiheit in Frankfurt weiß, daß er die Tischlerlehre und den Anspruch an gutbürgerliche Formgebung sausen lassen muß und sich fortan selbst eine Identität erzeichnet; der Comic-Zeichner von nicht mal zwanzig, der seine Werke in kleinen Magazinen anbringt, als 20jähriger ein Büchlein bei einem Kleinverlag macht und kaum acht Jahre später der szenenübergreifende Zeichnerstar geworden ist – das hat doch Märchenqualität.

„Ralf König ist ein Instantklassiker, er wird bei der Generation der Twens und derer, die es werden wollen, über Nacht als Stück des allgemeinen Kulturinventars akzeptiert“, schreibt ein Fachmann über den König der 90er Jahre.

Jedem Star sein eigener Starschnitt. „Mal mir mal nen Schwulen“, heißt das jüngst im Hamburger Verlag MännerschwarmSkript verlegte erste und längst fällige Materialienbuch zum Superstar, der König-Starschnitt, der größte Nähe zum Dargestellten garantiert, ohne rein voyeuristisch zu sein. „Ralf König – ein Kultautor wird besichtigt“, verheißt der Klappentext, und Herausgeber Joachim Bartholomae bringt es im Vorwort auf den Punkt: „Die Autoren dieses Buches wollen dem Phänomen Ralf König, dem Spagat zwischen Subkultur und Massenpublikum und der Geschichte seines Erfolgs nachspüren.“

Comic-Kenner Elmar Klages spürt dieser Story in seinem Beitrag „Und dieser Bauchnabel...“ nach und zeigt sie als das Dilemma, das sie eben auch ist: der Spagat nicht nur als leichte, tänzerische Figur, sondern auch als Anstrengung.

Für den persönlichen Einblick hinter den Zeichentisch sorgt Thomas Voigt (Herausgeber der Zeitschrift Opernwelt) in seinem ausführlichen Interview zu Leben, Vorlieben und Arbeitsweise. Den Weg der königlichen Figuren vom Papier auf Zelluloid oder Theaterbühne verfolgt Michael Töteberg mit seinem Essay, aber auch der Schauspieler Udo Samel, der über „seinen“ Inspektor Mackeroni schreibt. Versehen mit dem Debüt von Pauls Schwester Edeltraut, die ihren Stecher mitbringt, Lebenslauf und Bibliographie, ist Mal mir mal nen Schwulen eine gelungene Mischung aus Fan-Information und Hinterfragung. Und – neben dem reinen Unterhaltungswert – gerade momentan von brisantem Interesse, seit verlautbart wurde, daß die Staatsanwaltschaft im thüringischen Meiningen eine Beschlagnahmungswelle in Buchläden der Republik losgetreten hat. Mitgenommen wird von den einsammelnden Beamten auch Ralf Königs letztes Buch, Bullenklöten. Besonders pikant, weil die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften dem Titel erst im letzten Jahr bescheinigt hat, daß er Kunst sei. Thomas Plaichinger

„Mal mir mal nen Schwulen“, MännerschwarmSkript, 19 Mark