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■ SchlaglochFreie Fahrt für freie Bürger Von Götz Aly

„Das Mischen ist dem

Menschen angeboren.“

Goethe, „Farbenlehre“

Peter Hintze, Pfarrer und Generalsekretär der CDU, steht für die schlichte Variante der Verkündigung. Nein, meinte er neulich, mit den Grünen könne man auf keinen Fall regieren – schon wegen deren „Verweigerungshaltung bei Straßenbau oder Transrapid“.

Hintzes Wort in Gottes Ohr. Immerhin regiert im Landkreis Ludwigshafen, der heimatlichen Basis des Bundestagsabgeordneten H. Kohl, eine schwarz-grüne Koalition. Die Grundlage bildet der gemeinsame, gegen die SPD durchgesetzte Verzicht auf den Bau einer dritten Rheinbrücke. Und was die Gegner des Transrapid angeht, so können sie sich zwar schon lange auf die (ressortübergreifende) außerparlamentarische Kampagne der FAZ stützen, neuerdings aber auch auf die sächsische CDU.

Deren verkehrspolitischer Sprecher im Dresdener Landtag, Uwe Albrecht, erklärte das Milliardengrab auf Stelzen dieser Tage zum „Ärgernis“ und berief sich auf „schon öfter“, wohl flüsternd geäußerte Zweifel Kurt Biedenkopfs: Es sei „verkehrspolitischer Unfug, zwischen Hamburg und Berlin den Transrapid als dritten Verkehrsweg neben Bahn und Straße mit mindestens 5,6 Milliarden Mark aus Bundesmitteln zu finanzieren, während gleichzeitig Sachsens Bahnanbindung Richtung Süd- und Westdeutschland sträflichst vernachlässigt werden“.

Alle, nicht zuletzt die Prüfer des Bundesrechnungshofs, wissen, daß es bei den 5,6 Milliarden nicht bleiben wird. Vom speziellen sächsischen Interesse abgesehen, muß sich die Bundesregierung fragen lassen, warum sie ihre ohnehin knappen Mittel für eine exklusive, europäisch auf lange Sicht nicht kompatible Luxustechnologie aufbraucht, anstatt die vorhandenen deutschen Teilstücke derjenigen Schienenwege bevorzugt auszubauen, die Mailand und Riga verbinden müßten, Rostock und Wien, Kattowitz und Rotterdam, Paris und Moskau.

Aufgeworfen wird diese Frage von Michael Cramer, dem angesehenen Verkehrsfachmann der Berliner Grünen – nicht etwa von Helmut Kohl, einem ansonsten bekennenden Europäer. Und obgleich der Kanzler in seiner letzten TV- Fastenpredigt ankündigte, in den nächsten Wochen müßten alle Staatsausgaben auf dem Prüfstand gestellt werden, will die Regierungskoalition das höchst umstrittene Projekt „Transrapid“ schon morgen durch die Abstimmungsmühlen der Bundestagsausschüsse für Finanzen und Verkehr pressen – jenseits aller Spardiskussionen und vor dem Abschluß einer bereits in Auftrag gegebenen neuen Wirtschaftlichkeitsprüfung. Falls das gelingt, wäre morgen abend die erste Kohl-Lüge der beginnenden parlamentarischen Sommersaison zu notieren.

Immerhin kann dem Bonner Verkehrsminister Matthias Wissmann seine technikselige Trunkenheit mildernd zugute gehalten werden. Sie läßt seine Äuglein glänzen, sobald er von seinem Magnetmirakel schwärmen darf. Im schwarz-rot regierten Berlin rechtfertigte sich der neue Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) anders. Auf die Frage „Brauchen wir den Transrapid?“ antwortete er im Berliner Lokalteil der taz: „Natürlich nicht. Der Transrapid ist verkehrstechnisch zwischen Hamburg und Berlin völlig unsinnig; er wird sich auch mit den Fahrgastzahlen nie finanzieren lassen“, um dann in schönster sozialdemokratischer Gedankenfaulheit anzufügen: „Wenn der Transrapid aber in Deutschland gebaut wird, dann bin ich allerdings dafür, daß er in Berlin gebaut wird, weil das Arbeitsplätze für die Stadt schafft.“

Diese Mischung aus Zynismus und Lässigkeit zeichnet die Apparatschiks aller Epochen aus. Sie könnte wahlweise von Gerhard Schröder stammen, einem Politiker, der den Iran, Indonesien oder die kolumbianische Mafia mit fast jedem Gerät versorgen würde, Hauptsache er könnte anschließend in die Kamera blecken: „Arbeit! Arbeit! Arbeit!“

Strieder repräsentiert den sogenannten linken Flügel der Berliner SPD. Seinen neuen Senatorenposten verdankt er nicht etwa einem demokratischen Mandat, sondern der Abwahl als Kreuzberger Bezirksbürgermeister. Deshalb mußte er, so will es die Genossenlogik, versorgt und „eingebunden“ werden, nachdem er die SPD in ihrer einstigen Hochburg zur Splitterpartei gemacht hatte. Und dennoch versuchten die örtlichen SPD-Kader anschließend, die grünen Wahlsieger über Monate vorzuführen und ihnen Bedingungen für einen Modus regendi zu diktieren – so lange, bis den Grünen die Demütigungsversuche zu bunt wurden und sie sich kurz entschlossen mit der CDU auf eine Abstimmungsgemeinschaft einigten.

Die Vorgeschichte entspricht jenem Muster, nach dem vor eineinhalb Jahren in Mülheim/Ruhr die mittlerweile legendäre, im übrigen erfolgreiche Stadtregierung aus CDU und Grünen gebildet und etwa gleichzeitig Antje Vollmer mit der CDU gegen die völlig verbockte SPD zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt wurde.

Aber Kreuzberg ist ein Symbol. Der Stadtteil stand über Jahrzehnte für Chaos, Abriß und unversönliches staatliches Durchgreifen. Hier beherrschten geistige Barrikaden die Köpfe, hier prallten linken Lebenslügen auf die reaktionärste Deutschtümelei. Und ausgerechnet hier wählten vor ein paar Wochen die durchaus nicht progressive Kreuzberger CDU und die durchaus dogmatisch verengten Alternativen gemeinsam den ersten grünen Bürgermeister.

„Koalition des Bürgertums“, faucht die SPD. Na und! Sie ist allemal demokratischer als das Diktat einer halbkorrupten Kaderpartei, und sie ist die einzige überzeugende Möglichkeit zur Veränderung des gesamten politischen Klimas in einem über Jahrzehnte geschundenen Quartier.

Der Wechsel bildet. Jedenfalls berichten die grünen Abgesandten fast begeistert, mit der CDU lasse sich über alle wichtigen Fragen leichter reden, deren Verhandlungsführer stünden – anders als die der SPD – zu ihrem Wort, sie würden das Wahlergebnis respektieren, den Kompromiß nicht als taktisches Manöver, sondern als demokratische Tugend begreifen. Auch verfügten die CDUler, so heißt es in Mülheim wie in Kreuzberg und übrigens auch vor Lafontaines saarländischer Haustür, über angenehmere, eben höflich- sachliche Umgangsformen.

Sicherlich, und das zeigen die Diskussionen um den Transrapid: So wenig es eine generelle rot- grüne Reformperspektive gibt, so wenig besteht zu einer voreiligen, undifferenzierten CDU-Euphorie Anlaß. Aber die grüne Partei braucht keine sogenannte Koalitionsaussage. Ihre klassischen Anhänger sind auf angenehme, nicht resignative Weise realistisch geworden, ihre möglichen neuen WählerInnen zeichnen sich ohnehin durch hohe Flexibilität aus. Sie verstehen sich nicht als nibelungentreue, verschworene Basis einer Partei, wohl aber als Potential einer Politik der permanenten Variation. Sie sind daran interessiert, die bestehenden Fronten aufzuweichen und die Bundesrepublik etwas freundlicher zu machen. Anders als Peter Hintze hat Joschka Fischer die simple Konsequenz gezogen: „Mal gucken!“

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