Strahlemänner in fernöstlicher Morgenröte

■ Es gibt nur zufriedene Gesichter beim Besuch des US-Präsidenten in Japan. Erstmals werden sogar einige US-Militärstützpunkte auf der Insel dichtgemacht

Tokio (taz) – Für die richtige Stimmung zum „wichtigsten Gipfeltreffen seit Ende des Kalten Kriegs“, so US-Verteidigungsminister William Perry, sorgte ein vor kurzem noch namenloser Japaner in Los Angeles: Hideo Nomo. Seit einem knappen Jahr wirft der 27jährige Wunderknabe einen kleinen harten Ball vor die Füße der besten amerikanischen Baseball-Spieler. Die sollen den Ball treffen und ins Feld schlagen. Doch die Stars der amerikanischsten aller Sportarten hauen beständig daneben, wenn das As der Los Angeles Dodgers gegen sie wirft. Seine Auftritte brachten ihn ins All-Star-Team der US-Baseball- Liga. Viele JapanerInnen entdeckten daraufhin den amerikanischen Traum wieder.

Nomos Sieg am Wochenende war der denkbar beste Auftakt zu einer japanisch-amerikanischen Woche, die aus Sicht der Regierungen in Tokio und Washington Geschichte schreiben soll. Vergessen sind die Zeiten, in denen sich die Handelsminister der beiden größten Wirtschaftsmächte Bambusschwerter schenkten und selbst in der Symbolik ihrer Begegnungen den tiefen politischen Graben im Pazifik kaum verdeckten. Vergessen der Augenblick, in dem Präsident George Bush vor vier Jahren im Beisein der US-Automanager um Marktöffnung bettelte und sich dabei vor dem kaiserlichen Bankett übergab.

Bill Clinton will heute den amerikanischen Wahlkampf in Tokio nicht wie sein Amtsvorgänger verlieren, sondern gewinnen. Zeitgerecht ließ sich der Präsident am Wochenende vor einem roten Chevrolet-Modell fotografieren, das – für den japanischen Markt bestimmt – erstmals das Steuer auf der rechten Seite hat.

In enthusiastischer Stimmung war auch Japans Premierminister Ryutaro Hashimoto. Dem seit Januar amtierenden Regierungschef glückte nämlich, was in 50 Jahren keiner vor ihm erreichte: Die Rückgabe einer stattlichen Anzahl amerikanischer Militärbasen auf der südlichsten japanischen Insel, Okinawa. Schon am Montag unterzeichneten die Verteidigungsminister beider Länder ein Abkommen, das ein Fünftel der US- Einrichtungen auf Okinawa an ihre Besitzer zurückgibt. Darunter befinden sich die umstrittensten Orte amerikanischer Militärpräsenz in Japan, wie etwa der Luftwaffenstützpunkt Futemna.

Freude über das Bündnis fürs 21. Jahrhundert

Regierungschef Hashimoto selbst hatte in vier geheimgehaltenen Treffen mit dem US-Botschafter in Tokio, Walter Mondale, das neue Stationierungsabkommen bis ins Detail verhandelt. Zwar kommentierten die Bürger auf Okinawa die Vereinbarungen gestern noch mit verständlicher Vorsicht: „Trotz unserer ehrlichen Dankbarkeit für die Bemühungen der Regierungen wird das Volk von Okinawa seinen Kampf fortführen“, sagte Okinawas Gouverneur Masahide Ohta. Doch es bestand gar kein Zweifel am bislang von niemandem für möglich gehaltenen Verhandlungssieg der Japaner, der im vergangenen September durch ein einziges Verbrechen ausgelöst wurde: Damals verschleppten, fesselten und vergewaltigen drei amerikanische Soldaten ein 12jähriges Schulmädchen auf Okinawa und brachten eine nationale Protestwelle für die Reduzierung der amerikanischen Militärbasen ins Rollen.

Als Bill Clinton daraufhin im November seinen Japan-Besuch aufgrund der Haushaltskrise in den USA absagte, schienen die japanisch-amerikanischen Beziehungen einen Tiefpunkt erreicht zu haben. In Umfragen hatten nur noch 25 Prozent der JapanerInnen einen „guten“ Eindruck von den Beziehungen beider Länder, in Amerika waren es gerade noch 30 Prozent der Befragten. Das waren die schlechtesten Ergebnisse seit Beginn der Umfragen im Jahr 1978.

Die Wende kam erst, als beide Regierungen ihr neues Interesse aneinander entdeckten. Für Ryutaro Hashimoto war der innenpolitische Druck in Sachen Okinawa nur in Zusammenarbeit mit Washington zu bewältigen. Für Clinton soll Japan nun den wichtigsten außenpolitischen Erfolg seiner Amtszeit markieren: Im Februar war der japanische Handelsüberschuß mit den USA um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahrsmonat gesunken. Allein der Import amerikanischer Autos nach Japan ist nach einem Bericht Washingtons in neun Monaten um 35 Prozent gestiegen. Als sei es an der Zeit, einen neuen pazifischen Frieden zu verkünden, beförderte Clinton seinen in Japan verhaßten Handelsminister Mickey Kantor am Wochenende zum Wirtschaftsminister. Auf der anderen Seite des Pazifiks jubelten die Kommentatoren, daß Amerika Japan als Partner entdecke.

Bis zu einer echten Partnerschaft zwischen Siegern und Besiegten des Zweiten Weltkriegs ist es freilich noch ein weiter Weg. Das zeigte ein zweites Militärabkommen, das – von den Verteidigungsministern gestern unterzeichnet – die Zusammenarbeit zwischen den Armeen im Krisenfall regelt. Hier bleibt alles beim alten: Japanische Militäreinsätze außer Landes verbietet die Verfassung. Die kitzlige Frage, wie die Amerikaner im prinzipiell atomwaffenfreien Japan mit ihren Atomwaffen umgehen, bleibt ebenfalls unbeantwortet. Doch das sind vorläufig nur Details: Solange die AmerikanerInnen einen japanischen Baseball-Spieler bejubeln und die JapanerInnen immer mehr amerikanische Autos kaufen, kann zwischen Tokio und Washington derzeit kaum etwas schief gehen. Georg Blume