■ Mit Nutricia auf du und du
: Die Kuhmuttermilch

Berlin (taz) – Mit einer „Kaufpause“ wollen niederländische Tierschutz- und Verbraucherorganisationen den europäischen Marktführer für Babynahrung zum Umdenken zwingen. Der hölländische Konzern Nutricia, zu dem seit letztem Jahr auch das deutsche Unternehmen Milupa zählt, soll mit dem Boykott dazu gebracht werden, nicht weiter die Entwicklung von genmanipulierten Kühen zu unterstützen.

Der Konzern, der mit einem Marktanteil von rund 42 Prozent die Nummer eins dieser Branche in Europa ist, steht in den Niederlanden seit Anfang 1994 im Kreuzfeuer der Kritik. Eine niederländische Zeitung hatte damals herausbekommen, daß Nutricia das Gentech-Unternehmen Gene Pharming (inzwischen heißt es nur noch Pharming) mit rund vier Millionen Gulden beim Aufbau einer Herde von transgenen Kühen unterstützte. Weitere 40 Millionen Gulden kamen vom Wirtschaftministerium.

Mit dem Stier „Herman“, der als erster transgener Bulle weltberühmt wurde, fing es an. Von den 128 manipulierten Embryonen, die seinerzeit in 77 Kühe implantiert wurden, war Herman das einzige Tier das übrigblieb. Nur er trug wie gewünscht in seinem Erbgut das Gen für das menschliche Milcheiweiß Lactoferrin.

Auf diese antibakteriell wirkende Substanz, die mit der Kuhmilch ausgeschieden werden sollte, hatten die Genklempner es abgesehen. Bekannt ist, daß Lactoferrin in der Muttermilch Neugeborene vor Magen-Darm-Infektionen schützt. Mit Lactoferrin angereicherte Säuglingsnahrung könnte zum Umsatzrenner werden. Nur leider war Herman ein Stier, von dem ja bekanntlich keine Milch zu erwarten ist. Das niederländische Parlament, das sich nach öffentlichen Protesten mit dem transgenen Stier befassen mußte, führte extra einen Beschluß herbei, der es Herman erlaubte, Nachkommen zu zeugen. Bis zum vergangenem Monat mußten die Tiergenetiker warten, bis Hermans weibliche Nachkommen zum ersten mal gemolken werden konnten.

Obwohl Nurticia im Juni letzten Jahres drei niederländischen Verbänden, der Tierschutzorganisation Nederlandse Vereniging tot Bescherming van Dieren, dem Alternatieve Kosmumentenbond (AKB) und der Umweltschutzorganisation Stichting Natuur en Milieu die Zusicherung gab, sich nicht weiter an dem Projekt Herman zu beteiligen, hat der Babynahrungshersteller jetzt angekündigt, das gentechnisch hergestellte Lactoferrin einer klinischen Prüfung zu unterziehen. „Damit werden die von Nurticia gemachten Zusagen gebrochen“ meint Barbara Langner vom AKB in Amsterdam: „Die klinischen Tests haben doch nur dann einen Sinn, wenn Nurticia auch weiterhin gewillt ist, Lactoferrin mit transgenen Kühen herzustellen“.

Bei den drei Organisationen laufen jetzt die Vorbereitungen für den angekündigten Boykott auf Hochtouren. Währenddessen bleibt für Herman nur noch eine kurze Galgenfrist. Im Juni muß er zur Schlachtbank geführt werden. Das hat das niederländische Parlament so beschlossen. Wolfgang Löhr