Waigel blockiert Schuldenerlaß

Die Hoffnung, daß auf der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank eine umfassende Entschuldung beschlossen wird, ist nur noch gering  ■ Von Uwe Hoering

Afrika mag als Absatzmarkt, Investitionsziel und sogar als Rohstofflieferant weitgehend abgeschrieben sein – als Schuldner ist es immer noch eine sichere Bank: 1993 zum Beispiel zahlte der ausgepowerte Kontinent rund 300 Millionen US- Dollar mehr an den Internationalen Währungsfonds zurück, als er gleichzeitig von dort erhielt. Auch die Weltbank kassiert von mehr als einem Dutzend ihrer Kunden, darunter Kamerun, Elfenbeinküste, Nigeria und Sambia, mehr als sie durch neue Kredite vergibt. Daran wird sich voraussichtlich auch bei der am Mittwoch in Washington beginnenden Frühjahrstagung von IWF und Weltbank nichts ändern.

Seit Anfang der achtziger Jahre ist die Last der Auslandsschulden für Afrikas Länder südlich der Sahara gestiegen: von 84 Milliarden US-Dollar auf heute 211 Milliarden. Das ist mehr, als sie mit ihren Exporten verdienen. Von den 13 Milliarden US-Dollar, die sie jährlich zurückzahlen, geht etwa ein Viertel an IWF und Weltbank, die als sogenannte bevorzugte Gläubiger zuerst bedient werden müssen.

Gerade im Fall der ärmsten Länder, die kaum je Kredite von Geschäftsbanken erhielten, tragen Weltbank und IWF „inzwischen wesentliche Mitverantwortung für die anhaltende Überschuldungskrise“, so Thomas Fues von der Informationsstelle WEED in Bonn. „Entwicklung braucht Entschuldung“, so die Forderung der im gleichnamigen Initiativkreis zusammengeschlossenen bundesdeutschen Entwicklungsorganisationen. Nur durch eine umfassende Schuldenerleichterung können die ärmsten Länder genug Geld für Bildung, Infrastruktur und Landwirtschaft lockermachen und damit ihre Entwicklung ankurbeln.

Insgesamt, so das kritische „Debt Crisis Network“, fließen von jeder Mark Entwicklungshilfe für Afrika 57 Pfennig als Schuldendienst nach Washington, an Banken und Finanzminister in den Industrieländern zurück. Das Geld fehlt im Lande. Uganda etwa, so errechnete das britische Hilfswerk Oxfam, gibt im Jahr gerade drei Dollar pro Kopf der Bevölkerung für Gesundheit aus, aber 17 Dollar für Zinsen und Tilgungen. „Mit dem Geld, das jetzt für Schuldenrückzahlungen ausgegeben wird, könnte das Leben von etwa 21 Millionen Kindern gerettet und für 90 Millionen Mädchen und Frauen eine Basisbildung finanziert werden“, schätzt Kevin Watkins, Schuldenexperte bei Oxfam.

Lange haben Weltbank und IWF einen eigenen Beitrag zu Schuldenstreichungen abgelehnt. Bestehende bilaterale Instrumente, so die Rechtfertigung, reichten aus. Ein internes Papier der Weltbank, das im September vergangenen Jahres bekannt wurde, versprach jedoch einen drastischen Strategiewechsel.

Selbst die Weltbank ist nun für Schuldenerlaß

Erstmals wurde eine umfassende Lösung unter Einbeziehung aller, also auch der multilateralen Schulden, vorgschlagen. Ein Fonds („Multilaterale Schulden-Fazilität“) in Höhe von elf Milliarden Dollar sollte die Rückzahlungsverpflichtungen der Problemfälle unter den 41 hochverschuldeten armen Ländern übernehmen. Dadurch, verkündete Weltbankpräsident James Wolfensohn, würden „mehr Mittel für die Entwicklung frei gemacht“.

Inzwischen ist der Weltbank- vorschlag vom Tisch, gescheitert am Widerstand von IWF und Industrieländern wie Japan und Deutschland. Insbesondere der Vorschlag, der IWF solle einen Teil seiner Goldvorräte in Höhe von 35 Milliarden Dollar verkaufen, um den Fonds zu finanzieren, stieß auf Ablehnung. Bundesfinanzminister Theo Waigel argumentierte, dadurch würde die Aufgabenstellung des IWF als Währungshüter gefährdet.

Während das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) für Schuldenerleichterung eintritt, blockiert das Finanzministerium entsprechende Schritte, begründet mit finanziellen Engpässen im Bundeshaushalt. „Die Länder werden als Geisel genommen“, schimpft WEED-Sprecherin Barbara Unmüßig. „Durch den Schuldenknebel sind sie gezwungen, der Forderung der Geber nach weiterer Wirtschaftsliberalisierung nachzugeben.“

Finanzielle Spielräume bestünden durchaus, meint die Entwicklungslobby WEED: Durch die nicht zuletzt auf Betreiben der USA erfolgte Kürzung der Zuschüsse der Industrieländer für die Weltbank-Tochter IDA, die zinsfreie Darlehen an die ärmsten Länder vergibt, spart Finanzminister Waigel mindestens 240 Millionen Mark. Die sollten jetzt für eine Entschuldung eingesetzt werden.