Vorsorgliches Publikationsverbot

■ Das Landgericht Hamburg untersagt zunächst die Verbreitung des Buches „Die Russenmafia“ von Jürgen Roth

Berlin (taz) – Der Beschluß der 24. Zivilkammer am Landgericht Hamburg erfolgte vorsorglich. Obwohl die Kammer sich in der Sache gar nicht kundig machen konnte, erließen die Richter am 20. März „der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung“ eine einstweilige Verfügung. Darin wird dem Hamburger Verlag Rasch & Röhring verboten, „das Buch von Jürgen Roth, ,Die Russenmafia – Das gefährlichste Verbrechersyndikat der Welt‘ herauszugeben und/oder zu verbreiten, solange darin der Verdacht geäußert wird, Dr. Grigori Loutchansky und/oder die Nordex gehörten der ,Russenmafia‘ an“. Bei Verstößen, ordnete die Kammer weiter an, drohe dem Verlag im Einzelfall ein Ordnungsgeld von bis zu 500.000 Mark, beziehungsweise Ordnungshaft von „insgesamt höchstens zwei Jahren“.

Jürgen Roth hat sich als Autor einer ganzen Reihe von Büchern bekanntgemacht, die sich überwiegend mit dem internationalen Verbrechen und dessen Drahtziehern im Hintergrund beschäftigen. Weniger renommiert, eher im Zwielicht steht Grigori Loutchansky und die von ihm präsidierte milliardenschwere internationale Gesellschaft mit dem Namen Nordex mit Sitz in Wien. Ob Loutchansky, Jahrgang 1945 und mit einem Einreiseverbot für Kanada und Großbritannien belegt, tatsächlich der „Russenmafia“ zuzurechnen ist, hat Jürgen Roth in seinem 300seitigen Buch offengelassen. Das hätte die Landgerichtskammer bei einem Blick in das Buch sofort erkennen können.

Die Indizien wurden säuberlich gesammelt

Säuberlich referiert Jürgen Roth die Indizien, welche die Ermittler und Geheimdienste mehrerer Länder über den Firmenboß mit seinen weitreichenden Verbindungen zusammengetragen haben. Ebenso hat der Autor aber auch die Entgegnungen Loutchanskys darauf veröffentlicht. Roth zitiert unter anderem ein Dossier des Bundesnachrichtendienstes von Anfang letzten Jahres. Darin heißt es: „Die Nordex GmbH wurde Ende der achtziger Jahre mit dem Ziel gegründet, Devisen für das KGB zu erwirtschaften. Vieles spricht dafür, daß sich die Nordex mittlerweile zu einer zumindest teilweise kriminalisierten Organisation entwickelt hat ... Die Nordex gibt ein Beispiel für die konsequent betriebene Bereicherung von Kriminellen, Beamten und Politikern auf Kosten eines wirtschaftlich wie auch labilen Staates und zeigt die Verflechtung krimineller Strukturen mit der alten und teilweise neuen Nomenklatura auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion.“ Festgehalten hat Roth aber auch die Antwort des Firmenchefs („Westliche Geheimdienste verfolgen uns wie im Kalten Krieg“) wie auch die Einschätzung eines hohen Sicherheitsbeamten aus Israel. Dieser urteilt über Loutchansky: „Er unterscheidet sich nicht von denen, die im Wilden Westen ihr Vermögen verdienten. Er ist ein Spätzünder im Spiel internationales Geschäfte und versucht, schnell ein Trumpf zu werden. Aber er gibt sich Mühe, sich in einen respektierten und respektablen Geschäftsmann zu verwandeln.“ Schillernd ist die Person Loutchansky, mit der sich im Oktober 1995 die Polizeiexperten aus acht Ländern bei einem Treffen in Lyon ausschließlich befaßten.

Für den Verlag ist die gerichtliche Verfügung der Versuch, durch Einschüchterung die Veröffentlichung eines „unbequemen Buches zu verhindern“. Deshalb seien Druck und Auslieferung des Buches nach einem ersten „Drohbrief“ vorgezogen worden. Zum Zeitpunkt der Verfügung sei die Auslieferung „bereist abgeschlossen“ gewesen. Wolfgang Gast