Beleidigen statt beißen und spucken

■ Die meisten Schüler lehnen Gewalt ab, greifen aber auch nicht ein. Lehrer stehen trotzdem hinter ihren keifenden Kids

Berlin (taz) – Früh übt sich, was in der Welt bestehen will. Der kleine Fiesling beißt nicht und schlägt kaum zu; er beleidigt, spottet und lacht andere aus. Das Register der scharfen, aber unspektakulären Nadelstiche ist lang, und alle kennen sich bestens damit aus. Fast 40 Prozent der Schüler und Schülerinnen werden jeden Tag von ihren Altersgenossen ausgeschimpft. Etwa jeder dritte muß täglich Hohn und Spott über sich ergehen lassen.

Schüler stehen viel weniger auf Gewalt, als Medien schreiben. Zu diesem Ergebnis kommt die bisher umfangreichste repräsentative Umfrage über Gewalt an Schulen. Erziehungswissenschaftler der Universität Bielefeld befragten 3.540 Schüler und 448 Lehrer der Klassen sechs bis zehn. Zwar lehnt die große Mehrheit der Kids Gewalt ausdrücklich ab. Doch nur die wenigsten gehen beherzt dazwischen, wenn sie sehen, wie ihre Mitschüler sich raufen.

Treten, beißen, erpressen, Busengrapschen, prügeln: Zwei von drei sagen, sie möchten nicht, daß andere so etwas tun; sie ärgern sich, wenn sie Zeuge werden. Jeder zweite hat Angst vor körperlichen Auseinandersetzungen. Dies mag der Grund sein, weswegen mehr als ein Drittel der befragten Schüler angibt, „niemals selbst schlichtend einzugreifen“. Zwischen 15 und 21 Prozent sagen, daß sie sich „oft bis sehr oft einmischen“. Klaus-Jürgen Tillmann und Heinz Günter Holtappels haben die Studie angefertigt. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß sich nur wenige als schlagende Zampanos gebärden. Etwa ein bis drei Prozent aller Schüler zählen sie zur Gruppe der Prügelkids. Wer denkt, Schüler finden Gewalt „normal“, irrt. Nur jeder fünfte ist der Meinung, daß Gewalt „selbstverständlich zur menschlichen Natur“ gehört. Jungen billigen Gewalt doppelt so häufig wie Mädchen. Die Lehrer zeigen sich verständnisvoll, 63 Prozent von ihnen vermuten hinter keilenden und keifenden Kids „psychische Auffälligkeiten“. roga