Schuß sauber im Knast

■ Im Frauengefängnis Vechta hängen vier Spritzenautomaten. Ein Versuch

Hannover (taz) – In der Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta werden jetzt erstmals in der Bundesrepublik an drogenabhängige Gefangene sterile Einwegspritzen ausgegeben. Mit dem Modellversuch, für den Justizministerin Heidi Alm-Merk gestern das Startsignal gab, setzt das Land die Empfehlung einer Expertenkommission zur Aidsprävention in niedersächsischen Haftanstalten um. Ab Sommer sollen auch in einer Männeranstalt in Groß-Hesepe bei Lingen Spritzen ausgegeben werden. Der Versuch wird von der Universität Oldenburg wissenschaftlich begleitet.

Aus vier Automaten können Frauen im Vechtaer Knast sterile Spritzen ziehen, wenn sie eine alte Spritze eingeworfen haben. Gerade unter den weiblichen Häftlingen ist der Anteil der Drogenabhängigen sehr hoch. Das Justizministerium schätzt ihn auf 50 bis 70 Prozent. Ziel des Modellversuches ist es nicht nur, weitere Aidsinfektionen durch den Tausch gebrauchter Spritzen zu vermeiden, sondern auch möglichst viele Frauen für eine Drogentherapie zu gewinnen. Die drogenabhängigen Frauen, die sich für den Versuch bewerben, erhalten zunächst eine Spritzenattrappe, die der Automat genauso wie später die gebrauchten Einwegspritzen annimmt. Sie ist, wie später die Spritze auch, in der Zelle der Gefangenen stets in einem kleinen Spritzenkästchen aufzubewahren.

Es gibt Spritzen, aber keinen Stoff

„Wer die Spritze irgendwo liegen läßt, fliegt sofort aus dem Modellversuch“, erläuterte die Justizsprecherin. Das kleine Spritzenkästchen solle verhindern, daß sich Anstaltsbedienstete bei Zellenkontrollen an der Spritze verletzen und infizieren könnten.

Selbstverständlich, so betonte die Ministeriumsprecherin gestern, sei in der Justizvollzugsanstalt Vechta der Drogenkonsum weiterhin verboten. Die Gefangenenzellen dort würden wie bisher auf Rauschgift untersucht.

Minderjährige Frauen können an dem Modellversuch nur mit Zustimmung der Eltern teilnehmen. Ausgeschlossen von der Spritzenvergabe sind Frauen im Mutter- Kind-Bereich, auf der Aufnahmestation und jene, die das Gefängnis zur Arbeit verlassen dürfen. Jürgen Voges