Die Elbe wird verseucht

■ Hamburg droht Umweltkatastrophe: Öko-Experte prophezeit Giftbrühe aus sächsischen Bergwerken / Gefahr für Hafen und Nordsee Von Heike Haarhoff

Hamburgs Hafen und der Nordsee droht eine Umweltkatastophe unbekannten Ausmaßes: Eine schwermetallbelastete Giftbrühe aus den stillgelegten Uran-Bergwerken der Wismut AG in Sachsen könnte in vier bis sechs Jahren elb- abwärts schwappen. Verseuchtes Wasser aus den Schächten der alten Bergwerke im Erzgebirge, warnt der Hamburger Chemie-Professor Arndt Knöchel, könnte austreten, über Abwassergräben in Mulde und Saale und von dort weiter in die Elbe fließen. Fische, Pflanzen, Boden und auch das Grundwasser wären akut gefährdet.

Nach Abschluß der Uranförderung bei Sonnenberg, Grossen und Annaberg wurden auch die Pumpen abgeschaltet, die das Grundwasser zuvor gehindert hatten, in die tiefer liegenden Schächte und Stollen einzudringen. Langsam aber stetig werden die Bergwerke seitdem geflutet. „Wenn sie vollgelaufen sind, wird ein Schwall aufgelöster Stoffe – Arsen, Cadmium und andere toxische Schadmetalle – in die Elbe-Nebenflüsse dringen, die das Erzgebirge entwässern.

Deshalb müssen dringend wirkungsvolle Rückhaltesysteme entwickelt werden“, lautet Knöchels eindeutiger Befund. Im Auftrag des Bundesforschungsministeriums untersucht der Chemiker mit Kollegen von der Uni Hamburg und der Bergakademie Freiberg in Sachsen seit 1991 Risiken und Gefahren der Elb-Schadstoffbelastung. Im Sommer soll der Abschlußbericht des Bundes-Leitprojekts „Elbe 2000“ vorliegen.

Hilflos starren Ministerien und Wissenschaftler auf die tickende Zeitbombe: Seit der Wiedervereinigung, schilt der Berliner Greenpeace-Wasserexperte Jörg Naumann die „verantwortungslose“ politische Untätigkeit, „sind die giftigen Hinterlassenschaften der ostdeutschen Uran-Industrie bekannt“; Methoden und Verfahren, die Umweltgefahr zu bannen, sind bislang weitestgehend unerforscht.

Schleierhaft ist, wer die milliardenteure Wismut-Sanierung finanzieren soll. Das sei Sache des Bundes, heißt es übereinstimmend, Kostenhöhe unbekannt. Gelingt sie nicht rechtzeitig, „sind sämtliche Sanierungserfolge der letzten Jahre hinfällig“, klagt Hamburgs Umweltbehörden-Sprecher Kai Fabig.

Vor allem der Hamburger Hafen hätte die Giftwelle aus Sachsen auszubaden: Wegen der Flußverbreiterung nimmt die Strömungsgeschwindigkeit der Elbe bei Hamburg ab; die Sedimente sinken und vergiften den Boden. Die erhoffte – weil kostengünstige und flächensparende – Elbschlick-Entsorgung in der Nordsee (taz berichtete) könnte sich das Amt für Strom- und Hafenbau dann abschminken.

Zur Lösung setzt Knöchel auf „geochemische Barrieren“ – Stoffe, die die gelösten Gifte in den Schächten binden und vor dem Austreten hindern sollen. Wie und ob dieses Prinzip funktioniert, kann nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft niemand verläßlich sagen. Eine Verfüllung mit Abraummaterial – analog zur Praxis im Steinkohlebergbau – mache die Schächte nicht wasserdicht. Auch das Abpumpen des Wassers „würde bloß den Grundwasserspiegel weiter verändern“, hält Knöchel die bisherige Methode für „nicht sinnvoll und unbezahlbar“.

Heinrich Reincke, Leiter der Wassergütestelle Elbe, mag „keine Gefahr im Verzuge“ erkennen: Bisher habe man eben andere Prioritäten wie den Bau von Klärwerken in Tschechien „abgearbeitet“. „Technisch“ hält der Bauingenieur berufsbedingt „alles für möglich“.

Greenpeace-Experte Naumann hingegen ist sicher, „daß das Erzgebirge erst der Anfang ist“: Wenn auch die Pumpen in den anderen Uranbergwerken in der Sächsischen Schweiz wie geplant abgeschaltet werden, „dringen dort nicht nur Schwermetalle aus“. Dann, so Naumann, „kommt auch noch Radioaktivität dazu“.