Sanssouci
: Vorschlag

■ Vorgestern in der Arena: Smashing Pumpkins für frühzeitig Ausgepumpte. Die Welt ist ein Vampir

Von Selbstzweifeln wird der Sänger, Gitarrist und Songschreiber der Smashing Pumpkins nicht gerade geplagt: Bill Corgan hält sich für ein Genie, und wie das so geht, ist er naturgemäß beleidigt, daß ihm die dafür gebührende Anerkennung zu Lebzeiten seitens der vermeintlichen Fachleute verwehrt wird. Die sprechen lieber über den toten Kurt Cobain oder den todessehnsüchtigen Eddie Vedder, obwohl das dritte Album der Pumpkins „Mellon Collie And The Infinite Sadness“ alle möglichen Verkaufsrekorde in der Sparte Alternativer Rock bricht – auch wenn, oder vielleicht gerade weil es ein Doppelalbum ist, mit 28 Songs, über zwei Stunden Spielzeit und ohne irgendeinem klar erkennbaren Konzept für diese Songfülle. Die Smashing Pumpkins sind die Band von der man nicht spricht, die aber flächendeckend gehört wird – und sei es als peinliche Lieblingsband.

Ihr ausverkauftes Konzert in der Treptower Arena – 6.000 Menschen sollen da gewesen sein – beginnt, wie das Album, mit Streichern vom Band, danach folgt „Tonight, tonight“ und los geht es: das große, üppige Rocktheater. Corgan präsentiert sich kahlgeschoren, trägt silberne Hosen und ein Shirt mit dem Aufdruck „Zero“, womit er einen Song featured, in dem es heißt: „Emptiness is loneliness, loneliness is cleanliness, cleanliness is godliness, and god is empty just like me.“ Mit solchen Zeilen möchten sich die Pumpkins eigentlich zum Sprachrohr der früh Ausgepumpten machen, sich verbünden mit den verzweifelten HoffnungslosigkeitskokettiererInnen. „The world is a vampire“ und so weiter. (Bei Daniel Johnston klang es besser: „...all my friends were vampyres / turned out I was a vampyre myself.“)

Doch eigentlich transportieren die Smashing Pumpkins glitzerndes und sämiges Wohlgefühl, zu dem als ständige Begleitung die selbstgefällige, unendliche Traurigkeit kommt. Und die Fans in der Arena wollen sich in der Tat bloß wohlfühlen, wollen rocken und moshen; würden wohl auch gerne Feuerzeuge anzünden, was jedoch verpönt ist, denn die leuchten nur zu Beginn, fast ironisch, auch nicht bei „Disarm“, wo Corgan die elektrische mit der akustischen Gitarre wechselt. Den Mumm, ganz ohne Begleitung seinen Killer-in-mir-ist-der-Killer-in-dir zu singen, hat er nicht – so wie es Noel Gallagher von den ach so verpönten Oasis mit „Wonderwall“ sehr anrührend gemacht hat. Bei den Zugaben stöhnt Corgan dann endlich über Interviews, die immer nach Bedeutung und Inhalt seiner Songs suchen, doch da heißt es, sich bedeckt zu halten. Den aktuellen Hit „1979“ (hallo Bedeutung!) kündigt er augenzwinkernd als Viva-Song an, und als eine Frau dann aus der Menge heraus „Viva La Revolucion!“ schreit, jubelt die Jungschar vor der Bühne: Ob aus Freude über die Nullrockrevolution oder weil die ersten Takte des Songs gerade begannen, ließ sich allerdings nur schwer feststellen. Gerrit Bartels