"Ich agitiere nicht, muß niemanden ändern"

■ Er sagt von sich: "Ich war eine waffe der Linken." Aber diese Bewegung "gibt's nicht mehr". Seine rebellischen Mitstreiter von einst "besuchen sich heute gegenseitig mit dem Aktenköfferchen". ...

taz: Herr Seyfried, schön, Ihnen die Hand schütteln zu können. Lebt der überhaupt noch? Schon ewig keine Zeichnungen von dem mehr gesehen – so reagieren viele, wenn man heute Ihren Namen nennt.

Seyfried: Ich habe keine Angst, daß ich vergessen werde. Mir wär' das egal. Von der Bildfläche zu verschwinden, gehört zu meinem Lebensrhythmus. Außerdem war ich im Steuerstreik. Aus Wut auf das Finanzamt habe ich mich jahrelang geweigert, mehr zu verdienen als 1.999 Mark und 99 Pfennig im Monat. Aber so kann ich nicht mehr weitermachen, meine ganzen Ersparnisse sind aufgefressen. Jetzt muß ich wohl wieder richtig arbeiten – ein paar neue Blätter sind schon fertig. Sachen aus dem Berliner Alltag. Dinge, die ich erlebe – eine Rückkehr zu meinen klassischen Geschichten.

Vor 15 Jahren hing in jeder anständigen WG ein Seyfried auf dem Klo. Das Lachen hat vielen den Stuhlgang erleichtert.

Das ist doch schön, wenn man als Zeichner etwas bewirkt. Aber ich konnte nicht ewig fürs Klo produzieren. Ich bin keine Maschine: Ich brenne mich nicht aus, indem ich ohne Unterlaß auf den Markt pumpe, was in mir ist. Die Leute erwarten, daß man nicht lockerläßt und immer weiterpowert und Kohle macht. Ich kann das nicht. Ich hock' schon mal einen Monat rum oder zwei, und mir fällt nichts ein.

Die taz feierte Sie mal als „Politcartoonszeneliebling“, die „Stuttgarter Zeitung“ nannte Sie eine „Ikone“ ...

Hören Sie auf damit! Über so was muß ich immer lachen. Ikone? Ich habe Rückenprobleme, Bandscheibenschäden. Wenn ich ein Buch mache, arbeite ich mehr, als der Körper zuläßt. Ein Jahr lang dauert das, ohne freien Tag, dann falle ich um, liege flach und...

...die ganze Mühe war für die Katz. Ihre letzten Bücher „Future Subjunkies“ und „Space Bastards“ waren Flops. Sie haben Ihre Fans vor den Kopf gestoßen.

Mir war klar, daß ich damit die Leute schocke. Und darauf hatte ich auch Lust. Die nehmen meine Sachen in die Hand und denken: Seyfried, der wird schon lustig sein – und dann das. Ich kann doch nicht zwanzig Jahre lang Bullen hinter Freaks herrennen lassen, was bringt das denn?

Einfache Antwort: Geld und noch mal Geld.

Ich wollte auch mal etwas Neues machen, bloß der Markt erlaubt es nicht. Der Markt sagt, du warst witzig, und so sollst du dein ganzes Leben weitermachen – sonst gibt's was aufs Maul. Das ist so. Die Bücher waren wichtig für mich, aber falsch für mein Konto. Ein Jahr Arbeit ohne Pause, und dann gibt's 10.000 Mark für mich und Ziska, die Koautorin. Ich muß doch Miete zahlen und Steuern und Versicherungen und all die Scheiße, Arbeitsmaterialien und Essen. Der geplante dritte Band war einfach nicht mehr zu machen – schade.

Ohne den Zwang, Geld zu verdienen, würden Sie...

Müßig, rumzuspekulieren, was ich dann machen würde. Was ist denn zum Beispiel mit Hitlers geheimem Wunsch: daß er für sein Leben gern Comiczeichner geworden wäre, aber Diktator werden mußte? Mein Freund Paul Mavrides sagt, er wäre für sein Leben gern Diktator geworden, es hat aber nur zum Comiczeichner gelangt. Als Diktator, klar, da biste fein raus.

Die Kritik auf Ihre letzten Bücher war bitter: „Morbide Stadtlandschaften, Cyberspace, Gewalt, Sex – der subversive Anarchist hat seine Hoffnung verloren...“

Ich hab' mich halb totgelacht über all den Quatsch, den Ziska und ich da gemacht haben.

„... zerschossene Bären, Apokalypse, düstere Metaphysik – nur noch Trostlosigkeit.“

Das ist drin, das stimmt ja. Aber es sind auch schöne Zeichnungen, witzige Anspielungen, blödsinnige Ideologien – bloß haben das viel zu wenige verstanden.

Müssen Sie denn eine Lesehilfe mitliefern?

Wenn du auf dem Comicgebiet was Intelligentes machst, wird's schwierig. Dann hast du wenig Chancen. Wenn du Müll machst wie dieses „Liebe ist...“-Ding in Bild oder Kater Garfield, solche Massenidiotensachen, die um den ganzen Erdball gehen, bist du im Nu Millionär. So ein Schrott – das bringe ich nicht übers Herz. „Future Subjunkies“ und „Space Bastards“ sind Blicke auf unsere Wirklichkeit und eine mögliche Zukunft. Die kann sehr schwarz sein, oder sieht es vielleicht rosig aus? Mit purer Utopie kommst du auch nicht weiter.

Und das ist die Realität, die taz- Schlagzeile von heute: „Grüne liebäugeln mit Schwarz“.

Was kommt denn heraus, wenn man Grün mit Schwarz mischt? Braunoliv. Nein, wenn sich nicht bald etwas radikal ändert, macht sich die Menschheit tot. Dieser ganze Wahnsinn kommt in meinen neuen Comics vor – Verkehrswahn, Smog, Drogen, Angst.

Sie sind ein alter Moralist!

Eigentlich will ich lustige Geschichten aufs Papier bringen, über die ich selber lache und die ich selber toll finde. Lachen, das ist der Urantrieb für mich.

Ihre Bullenbildchen waren also nichts als netter Klamauk?

Von wegen. Es ist immer ein ernster Kern drin. Natürlich wollte ich etwas ändern, ich war Anarchist. Ich war eine Waffe der Linken, ich war ihre spitze Feder. Ich bin ja kein Typ, der zur Gewalt neigt, Steinewerfen war in Wirklichkeit nicht mein Ding. Ich wollte die Bullen lächerlich machen. Das ist der schlimmste Schlag, den man ihnen versetzen kann. Es nimmt ihnen die Autorität. Und außerdem ist es eine anständige Art zu kämpfen.

Dieser Kampf hat Sie bis in die Amtsstube des Regierenden Bürgermeisters von Berlin gebracht: Polizisten schenkten Walter Momper 1990 das Plakat „Bullenparadies Berlin“.

Warum denn nicht? Die finden das gut, und das wiederum finde ich komisch. Bei den Bullen habe ich viele gute Kunden. Das Plakat zeigt den Ku'damm voller Uniformen aus aller Herren Länder, das haben die Bullen gleich wannenweise bestellt. Über das Subversive, die ernste Aussage, über den Verweis auf Noske und den Polizeistaat sehen die hinweg und lachen über Uniformen.

Die Staatsmacht sah bei Ihnen ja auch sehr, sehr niedlich aus.

Auch Bullen sind Menschen. Für mich waren sie nie Pappfiguren, die man einfach totschlagen kann. Der Mensch ist für mich immer unlösbar drin, deshalb kann ich ihn nicht fies angreifen. Obwohl die Bullen damals richtig durchgedreht sind. Wir waren harmlose Schreiberlinge in einem Münchner Alternativblatt, und die kamen mit 50, 100 Mann und schwerem Gerät und Bleiwesten. Das Schlimmste, was sie je gefunden haben, war ein Taschenmesser. Für mich war das Polizeistaat pur. Ich wurde abgehört, beobachtet, rund um die Uhr, Tag und Nacht. Dann haben sie einen Bekannten von mir, den Jendrian, in seinem Bett erschossen, da kam Angst dazu und Wut. Viele Freunde haben das nicht mehr ausgehalten, sind in den Untergrund. Ich habe mich weiter mit dem Stift gewehrt.

Und das so erfolgreich, daß der Rotbuch-Verlag Ihre Bömbchen, Anarchos und Szenefreaks 1978 zum Buch machte; Titel: „Wo soll das alles enden?“.

Ich habe von denen 4.000 Mark Vorschuß gekriegt, eine gigantische Summe für mich. Ich bin damit spontan nach Amerika geflogen, hatte nichts anderes im Kopf als New York. Das war meine erste große Reise. Eine Stunde lang mußte das Fluzeug dann nachts über der Stadt kreisen. Alles sah so riesig aus – ein Lichtermeer, soweit das Auge reicht. Ich hab' plötzlich furchtbar Schiß bekommen – was hatte man nicht alles über New York gehört... Ich hab' mich keinen Schritt aus dem Flughafen rausgetraut.

Ein gefürchteter Staatsfeind – und beim Gedanken an Manhattan werden die Knie weich?

Ja. Und ich konnte nicht mal zurückfliegen – wegen Gesichtsverlust. Auf purer Verlegenheit bin ich gleich weiter nach San Francisco, da sah es ganz anders aus: Sonnenaufgang, Palmen und Blumen. Ich bin zur einzigen Adresse gelaufen, die ich kannte, der Rip- off-Press ...

...zu Ihren Vorbildern, den Vätern der „Fabulous Furry Freak Brothers“.

Als ich bei denen ankam, war ich 30 Stunden unterwegs. Ich bin zur Tür rein, hab gesagt: Ich bin ein Kollege aus Deutschland – und bin umgefallen und eingepennt.

Als Sie von dieser Reise nach Berlin zurückkamen, waren Sie ein Bestsellerautor – bald waren eine halbe Million Seyfried-Bücher verkauft.

Dabei habe ich mich in Kalifornien das erste Mal professionell mit Comics beschäftigt; habe studiert, was für Techniken und Stile sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Bis dahin hatte ich Karikaturen gemacht, einzelne Bilder. Ich war damit unzufrieden, wollte Geschichten zeichnen – das ist ein Sprung wie vom Diavortrag zum Filmemachen. Da hab' ich in Frisco viel gelernt. Die Amis haben eine ungebrochene Tradition seit 100 Jahren. Bei uns gab es Wilhelm Busch, und dann war's aus. Den Rest haben das Kaiserreich und die Nazis fertiggemacht.

Es ist nicht zu übersehen, wer Ihre Figuren beeinflußt hat: sie ähneln denen von Gilbert Shelton bis zum Plagiat.

Ein bißchen schon, wir sind gute Freunde geworden, wir machen sogar Geschichten zusammen. Vor allem aber bewundere ich Carl Barks, den Zeichner von Donald Duck. Er ist, was Newton für die Physik ist. Er hat künstlerisch und handwerklich einen Meilenstein gesetzt. Ich lese ihn ständig, täglich, immer wieder – es ist der perfekte Comic schlechthin. Und wenn ich ihn zum tausendstenmal lese, ich muß einfach lachen. Er ist der Meister im Aufbau von Geschichten: Wie er sie anfängt und den Leser einführt, wie er sie steigert, er beherrscht die Eskalation wunderbar. Eine nächtliche Ruhestörung, die geht vom Pochen an die Wand über die halbe Stunde mit der Luftschutzsirene bis zum Lärmkrieg zwischen Nachbarn, das ist irrsinnig toll. Auch wie er sich kurzfaßt: Wenn Donald ein Telefon braucht, ist einfach eins da – man wird das nicht besser machen können.

Da sitzen Sie also vor einem weißen Stück Papier und...

...probiere einfach rum. Fange spielerisch an, mir Notizen zu machen. Irgend etwas beschäftigt mich immer. Ich höre den ganzen Tag BBC im Radio, höre von einer Tankerkatastrophe, vom Ozonloch. Dann sitz ich da und habe niemanden, mit dem ich drüber quatschen kann. Das verarbeite ich auf Papier. An so einer Skizze male ich eine halbe Stunde bekifft rum, und plötzlich ist es ein schönes Bild geworden. So ein tolles Bild, denke ich dann, da mußt du jetzt einen Comic drumherum machen.

Ohne kiffen geht's nicht?

Für mich ist kiffen selbstverständlich, mein Normalzustand. Wenn ich damit aufhöre, bin ich high. Ich kann mich mit einem Joint besser konzentrieren. Ich versinke dann ganz in der Arbeit, alles andere ist wie weggepustet. Ohne die Joints wäre ich längst an Streß und Magengeschwüren gestorben.

Weil da immer die Angst ist, es fällt mir nichts mehr ein? Ich bringe nicht mehr das, was meinem Publikum gefällt?

Ich habe keine Angst, daß nichts Neues kommt. Wenn ich zeichne, denke ich nicht an das Publikum, das ist mir zu abstrakt. Gut karikieren kann man, was man gut kennt. Am besten kannte ich früher die Szene, da war ich mittendrin. Mir war immer wichtig, sie zu verarschen, die Szien hatte es auch nötig. So eine Bewegung fehlt heute. Die Leute in meinem Alter sind arriviert und besuchen sich gegenseitig mit Aktenköfferchen – in meinen neuen Comics werden die sich wiedererkennen.

Ihr Problem ist doch: Sie leben total zurückgezogen, losgelöst vom wirklichen Leben – Sie kriegen gar nichts mehr mit.

Ich bin nicht mehr 20 und nicht mehr so radikal drauf wie früher. Das ist doch völlig normal. Irgendwann hat man die Schnauze voll vom Ärger mit der Polizei. Ich will auch mal meine Ruhe haben. Ich kann doch nicht dauernd nachts draußen rumschleichen und Luft aus Autos lassen und Steine schmeißen. Was ich von der Wohnung aus mitkriege, das reicht mir. Ich bin gerne allein. Ich kann nicht viele Menschen um mich haben, zum Glück ist auch mein Gesicht nicht bekannt. Und ich bin froh, daß ich keine Familie habe, keine Kinder. Wer all das an der Hacke hat, muß ranklotzen, ernähren, erziehen, ausbilden – auf Teufel komm raus Geld verdienen.

Davon könnten Sie heute mehr als genug haben. Denken Sie nicht manchmal: Hätte ich früher bloß mein Copyright eingeklagt! Hätte ich nur die Bullen und Bomben auf T-Shirts und Kaffeetassen gedruckt!

Ich ärgere mich darüber nicht. Das habe ich mir doch selbst eingebrockt, damals in den 70ern. Ich als Radikallinker habe immer gesagt, vermarktet wird bei mir nicht. Da wird nichts kommerziell verwendet. Ich war ein Ausdrucksmittel der Bewegung, mir ging es um politische Inhalte. Ich wollte integer sein, keinen Schotter machen, der unnötig ist. Ich hab von 300 Mark gelebt, das war okay. Wenn mir mal eine Knastzeitung 50 Mark zugeschickt hat fürs Verwenden meiner Zeichnungen, dann war das toll. Das hat mich gefreut.

Zeichner wie Walter Moers und Ralf König sind heute stinkreich.

Ich hab' da keinen Neid. Ich kau' mir deswegen keine Fingernägel ab. Ich will anständig leben, aber keine Millionen machen. Allerdings habe ich die Schnauze voll von diesen 200-Mark-Honoraren. An einer Seite sitze ich zwei Wochen, und dafür verlange ich jetzt richtig Geld, knallhart.

Und das ist...

...einfach das, was meine Zeichnungen wert sind! Es muß zum Leben reichen.

Das ganz große Geld gibt's dann beim ersten Seyfried-Film.

Nicht mit mir. Die Filmindustrie ist sauer auf mich. Ich hab drei Angebote abgelehnt. Sie haben mich mit viel Kohle gelockt, es hat nichts geholfen. Die Nachteile sind zu heavy, darauf habe ich keine Lust. Die Geldgeber schreiben dir genau vor, was für einen Kassenerfolg angeblich wichtig sei: eine Arieneinlage für die Opernfreunde, ein bißchen Liebe für 22jährige Sekretärinnen... Du hast keine Chance, etwas Gutes zu machen.

Moment mal, es gibt prima Zeichentrickfilme: „Fritz the Cat“ von Robert Crumb war in der Szene ein Kultfilm.

Ja und? Crumb war stocksauer und unzufrieden. Er wollte seinen Namen entfernen lassen. Um mich zu ködern, haben sich Produzenten mit mir berühmte Filme angesehen: Asterix-Realisationen – furchtbar; den Bröselfilm – eine schwere Katastrophe. Sie haben mir Hunderttausende geboten, aber was sie von mir wollten, paßte mir nicht. Ich habe das eiskalt abgelehnt. Ich lasse mir doch nicht von Filmschnöseln mit rosa Seidenkrawatten erzählen, was gut für mich ist.

Wir sind beeindruckt.

Sie können darüber lachen. Geld ist für mich keine Versuchung. Ich brauche keine Villa, keinen Luxus. Ich kann auch keinen Chef über mir brauchen. Ich bin seit 30 Jahren selbständig. Ich vergewaltige mich nicht für Erfolg. Ich habe keinen Manager, der mich verhökert und meine Fresse ins Fernsehen bringt – Fernsehen hasse ich sowieso.

Das ist auch so ein Mythos, der Sie seit 20 Jahren begleitet: der wilde Seyfried, der laufend TV- Geräte aus dem Fenster schmeißt.

Ja, ja. Die Wahrheit ist: Dreimal habe ich das gemacht. Und ich habe sie nicht hinausgeworfen, ich habe sie fallenlassen.

Warum?

Mal schauen, was passiert. Wie es ihn zerreißt. Sehr erfrischend ist das. Einmal habe ich vorher eine Kamera im Hof postiert, die 36 Bilder in der Sekunde machen kann: Das Zerplatzen sieht irre aus. Ich sammle so etwas. Ich habe ein Archiv mit 14.000 Fotos von allem möglichen: Stromverteilerkästen, Türklinken – meist Detailaufnahmen. Ich hab' einen dreidimensionalen Blick, deshalb kann ich alles aus dem Kopf zeichnen. Ich weiß, wie's funktioniert.

Der Zeichner und Professor F.W. Bernstein empfiehlt Ihre Werke seinen Studenten. Da könne man das Handwerk lernen.

Große Ehre, nett vom Bernstein. Ich will einfach gute Kunst machen. Ich habe nicht den Anspruch, die ganze Menschheit umzudrehen. Wenn ein Bulle meine Comics liest, zieht er seine Uniform nicht aus. Ich muß niemanden ändern, ich agitiere nicht. Ich will, daß die Leute lachen. Das Leben ist ungesund genug, und es endet, wie es sein soll: mit dem Tod.

Von Ihnen bleiben wenigstens ein paar komische Bilder übrig.

Das ist ein Glück für die Menschheit, aber nicht für mich. Ich habe ja davon nichts mehr, als Einkommensquelle ist es mit Sicherheit erloschen. Aber jeder Mensch hinterläßt Spuren, sei's eine Pyramide, sei's ein totgetretener Schmetterling. Daß mit dem Tod alles vorbei sein soll, das ist mir zu simpel, zu sinnlos; daß das alles ein chemischer Zufall ist aus einer Ursuppe raus oder einem Urknall und wir wieder völlig zufällig ins Nichts verschwinden. Nein, es geht nach dem Tod irgendwie weiter. Vielleicht als eine Art Wiedergeburt, vielleicht als ein schwebendes Bewußtseinspartikel.

Spricht hier auf einmal der Esoteriker?

Nein, einer, der Bescheid weiß. Ich habe Träume gehabt, die mich überzeugen, daß das Leben mit dem Tod nicht aufhört. Außerdem: Vor sechs Jahren bin ich hier über den Lausitzer Platz gegangen, und da stand eine brennende Mülltonne. Aus den lodernden Flammen sprach ein Stimme zu mir: „Seyfried, Erdenwurm. Wenn du glaubst, daß du mit dem Tod die ganze Scheiße hinter dir hast, dann bist du schief gewickelt.“