Menschmöwe

■ Liebe und Psychose: der australische Debüt-Spielfilm „Angel Baby“

Für manche ist es schwer, einfach nur ein normales Leben zu führen. Ein Leben mit Job, Baby und Wohnung – nicht mehr aber auch nicht weniger. Harry (John Lynch) und Kate (Jacqueline McKenzie) sind psychotisch und wollen nichts als dieses normale Leben. Kate empfängt aus der Glücksrad-Sendung im TV geheime Botschaften, die sie als Orakel für ihr eigenes Leben interpretiert. Wenn der Fernsehmoderator etwa nach dem Songtitel „You're My Angel, Baby“ fahndet, hat Angel Baby, das Debut von Michael Rymer, einen Titel und Kate weiß, daß Harry, der ihr seit der Therapiesitzung nachläuft, der Richtige ist.

Das Glücksrad, ein Symbol das von vielen Religionen benutzt wurde, bekommt so nebenbei seine althergebrachte Bedeutung für Weissagungen aller Art. Harry läßt sich, ohne zu fragen, auf ihre Parallelwelt ein. Warum soll die Welt auch nicht nach Numerologie und Fernsehmystik organisiert sein? Er stellt sich zu Kate auf eine Brücke und tut es ihr nach, wenn sie wie die über ihnen kreisenden Möwen schreit. Deshalb liebt ihn Kate.

Und so wird Angel Baby zu „Harry & Kate“, zu einem Liebesfilm, der psychische Krankheit als Sprungbrett benutzt. Wegen ihrer Krankheit nimmt man den prima Schauspielern einige Manierismen und Überspielungen eher ab, die man sonst kaum durchgehen lassen würde. Sie sind empfindlicher, durchlässiger und aufgebrachter als sogenannte normale Menschen. Und natürlich sind das großartige Chancen für Schauspieler.

Doch durch diese oberflächliche Behandlung des Themas entsteht der Eindruck, daß die psychotischen Schübe nur als Treibsatz für die Extremsituationen einer „irren“ Liebesgeschichte dienen. Um Einsamkeit zu suggerieren werden dann – wie bei Birdy von Alan Parker – die Bilder in ein kaltes Blau getaucht. Bei den, die Wahrnehmung überwältigenden Psychose-Schüben hingegen dreht sich erwartungsgemäß die Kamera verwackelt um 360 Grad. Bei der glaubwürdigen bildlichen Umsetzung von Wahnsinn, von Psychosen und Neurosen ist ja schon mancher Film ins Schlittern geraten. So auch die kleine australische Lovestory Angel Baby. Überzeugender funktioniert sie bei den Bildern der Freiheit. Wie jenem der Menschen, die über dem Fluß zu Möwen werden.

Volker Marquardt

Movie, Neues Broadway