Beschimpfungen sind keine Ausnahme

■ NGG stellt Schwarzbuch zur Ausbildungslage in der Gastronomie vor Von Iris Schneider

„Beweg dich mal ein bißchen schneller, sonst mach ich dir mit der Fleischgabel Beine“, oder „Du bist hier der letzte Pimpf. Du hast überhaupt nichts zu melden“: Solche Sprüche sind für Auszubildende in der Hamburger Gastronomie keine Ausnahmefälle. Das förderte eine Umfrage zutage, die die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) zwischen Oktober 1995 und Februar 1996 unter 500 Auszubildenden durchgeführt hat. Die Antworten der Jugendlichen hat die Gewerkschaft in einem „Schwarzbuch über Ausbildungsbedingungen im Hotel- und Gaststättengewerbe der Freien und Hansestadt Hamburg“ zusammengefaßt, das sie gestern der Presse vorstellte.

Doris Schalk, zuständig für die Betreuung der jugendlichen Mitglieder der NGG war entsetzt: „Seit meiner Ausbildung vor 16 Jahren hat sich nichts geändert.“ Der manchmal rüde Umgangston entgleise auch schon mal ins Handfeste: „Aus einem kleinen, freundschaftlichen Klaps wird schon mal ein harter Schlag, der mit einem blauen Fleck enden kann.“ Vor allem klagen die Auszubildenden über zu lange Arbeitszeiten: „Überstunden gibt es nicht. Das fällt alles unter die Rubrik ,freiwillige Mehrarbeit' – und mangelnde Ausbildungspläne.“

In vielen Betrieben werden die Auszubildenden als „Jongliermasse behandelt“ und immer dort eingesetzt, wo gerade Personal fehlt. Selbst während des Blockunterrichts an der Berufsschule werden Jugendliche an den Wochenenden zur Arbeit im Betrieb verpflichtet.

Immerhin haben die Arbeitgeber signalisiert, daß sie sich in einigen Punkten mit der Gewerkschaft einigen wollen. So soll das Wochenende vor Beginn eines Schulblocks arbeitsfrei sein, ebenso der Tag der Zwischenprüfung und der Tag vor der praktischen Abschlußprüfung.

Das Resultat dieses Umgangs mit Auszubildenden sei eine „Schmalspurausbildung“ konstatiert Doris Schalk. Viele brechen die Ausbildung ab, und Ausgelernte wechseln nach der Abschlußprüfung die Branche. Von den 503 Jugendlichen, die 1994 eine Lehre in der Gastronomie begonnen haben, kündigten 105 schon im ersten Lehrjahr, Fachkräftemangel ist die Folge.

Diesen Umstand beklagt auch die Handelskammer, die für die Überwachung der Ausbildung im Gaststättengewerbe zuständig ist. Hubert Grimm, Leiter der technischen Berufsbildung gibt zu: „Die Situation ist unbefriedigend, vor allem hinsichtlich der Abbrüche.“ Die Handelskammer will durch mehr Betreuung Verbesserungen erzielen: „Aber Patentrezepte haben wir nicht“, gesteht Grimm ein.

Die Gewerkschaft dagegen hat klare Forderungen. Die Handelskammer solle dafür sorgen, daß zumindest die gesetzlichen Bestimmungen bei der Ausbildung eingehalten werden. Notfalls müsse den Betrieben die Ausbildungsgenehmigung entzogen werden.