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SanssouciVorschlag

■ „Orange Westen“ im Babylon Mitte. Ein filmischer Brief

„Orange Westen sind unsere sowjetische Frauenmode“, sagen die Filmemacherinnen Ella Milova und Irina Pismennaja. Aber so, wie die bekannteste Frauenzeitung dort nicht Göttin oder gar Schönheit heißt, sondern einfach Rabotniza (Arbeiterin), geht es in diesem Film nicht um Äußerlichkeiten. Zwei Jahre bereisten sie ihr Land, von Tadschikistan und Litauen nach Sibirien und bis zur Ukraine, und bemühten sich, die „gesichtslose Einheit“ der sozialistischen Frau als Einzelperson zum Sprechen zu bringen.

Weithin leuchtend sichtbar, sind die Westen eigentlich Arbeitskleidung für Schwerstarbeitende. Daß sie in der ehemaligen Sowjetunion das Synonym für „Frau“ waren, liegt schlicht daran, daß diese das Gros der schlechtbezahlten Knochenarbeit machten. Im Straßen- und Eisenbahnbau, in der Landwirtschaft, im Schlachthof oder unter Tage wird die vielbesungene „Kraft“ der Arbeiterinnnen mit dem „warmen Frauenblick“ ausgebeutet. Nach einer Begegnung mit Berliner Feministinnen in dem besetzten Haus, das heute das Frauencafé Begine beherbergt, waren Milova und Pismennaja bis 1993 mit der Kamera unterwegs.

Das Ergebnis ist ein filmischer „Brief“ an die deutsche Kollegin Helke Sander, in dem die Filmemacherinnen zeigen wollen, warum der Feminismus westlicher Prägung hier nicht taugt. Interviews mit weiblichen Parteifunktionären stehen neben dem Besuch bei Fabrikarbeiterinnen, die mit verseuchtem Flachs arbeiten, einer Szene mit einer jungen Frau, die ein Liebesgedicht rezitiert, und Gesprächen mit weiblichen Strafgefangenen. Und immer wieder hört man den Stoßseufzer: „Eure Sorgen möchten wir haben!“ Subtile (Selbst-)Ironie mildert in dieser Low- budget-Produktion nur dürftig den vorherrschenden Ton von Bitterkeit und Melancholie. Gudrun Holz

Heute und morgen, 19 Uhr, So., 21.15, Di., 21.30 Uhr, Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Straße 30

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