Haufenweise Q-Tips

■ "Men's Health" - Das neue Männermagazin für alle, die gerne ein Büro haben und einen Quickie machen würden

Frauen haben es am Kiosk einfach besser: Jeden Monat liegt dort eine neue kompakte Zeitschrift für sie mit der bewährt bunten Mischung aus Typberatung und Reisereportagen.

Wollte sich ein Mann ähnlich vielfältiger Lektüre widmen, müßte er einen ganzen Stapel von Zeitschriften mit nach Hause nehmen. Darunter auch Kicker und Playboy. Das wäre nicht nur schlecht fürs Image, sondern auch ziemlich teuer. Höchste Zeit also für Men's Health – eine Männerzeitschrift wie ein Schweizer Offiziersmesser: irgendwo zwischen Abenteuer und Nutzwert.

Denn Abenteuer kann eigentlich alles sein: Der Quickie auf dem Rücksitz genauso wie Gurken schälen oder Rohkost putzen. Es kommt nur auf die innere Einstellung an. Sportsfreund, du machst das schon, lautet das Leitmotiv von Men's Health, dessen Chefredakteur Thomas Garms verspricht: „Zufrieden sind wir erst dann, wenn Sie profitiert haben.“ Das ist doch mal ein Wort.

„Das Magazin für Männer“ will keine herkömmliche Zeitschrift sein, sondern Kumpel in allen Lebenslagen. Der zeigt, wie man mit der Autobatterie ein Lagerfeuer macht oder Streß mit Kollegen vorbeugt: „Mobbing generell verurteilen, ohne die Täter anzuklagen.“ Ob am Schreibtisch oder im Airbus nach Hongkong – überall ortet Men's Health „Nischen für Abenteuer und Selbstbestätigung“. Wer sich zum Beispiel nur die Busineß-Klasse leisten kann, wählt einfach Platznummer 5D oder 5G: „Dort fallen Sie ins Auge.“ Und für die nächste Cocktailparty schreibt uns Men's Health augenzwinkernd hinters Ohr: „Präparieren Sie sich vor allem mit Gesprächsthemen für den Small talk.“

Das alles ist wahrscheinlich sogar nett gemeint, klingt aber irgendwie wie ein Tip von jemandem, der selbst solo und arbeitslos ist. Und der außerdem viel redet. Denn damit sich die Seiten prall mit Nutzwert füllen, ist kein Ratschlag zu abwegig, um nicht in mütterlich-jovialer Sprache erteilt zu werden: „Weg mit den Ohrenstäbchen, die nur das Schmalz in den Hörgang drücken und Sie unempfänglich für die Signale der Zeit machen.“ So gesehen müßten die Redaktionsgehälter bei Men's Health eigentlich in Q-Tips ausgezahlt werden.

Denn nicht nur der Ohrenschmalztrick liest sich, als sei der Zug nicht nur abgefahren, sondern schon längst wieder da. Seitenweise Bügeltips und Salatvariationen aus der Brigitte, deren Neuigkeitswert vor allem darin besteht, daß sie nun in der Rubrik „Benefit“ abgedruckt werden.

Auch wenn Men's Health eigentlich ganz bewußt auf Fußball und Playboy-Prosa verzichten wollte, darf nach etlichen Seiten Ernährungsberatung doch noch Sperma statt Karottensaft spritzen: „Das endlose Vorspiel..., so einen Stuß können sich nur Frauen ausdenken“, tönt es zackig aus einem Plädoyer für die schnelle Nummer zwischendurch. Und für die weniger schneller Leser heißt es dann noch: „Quickies sind nicht unbedingt dasselbe wie gewöhnlicher Sex.“

Ungewöhnlich sind auch die grobkörnigen Schwarzweißfotos vom Taxirücksitz, auf dem sich ein halbnacktes Paar mit Champagner begießt. Überhaupt scheint zwischen Autoren und Bildredaktion totale Funkstille zu herrschen: Da strippen blutjunge Teens in abgewetzten Jeans, während sich der Kolumnist im Text nebenan fragt, „wie man den Graben überwindet, den allzu viele abendliche Geschäftsessen und Wochenenden im Büro aufgerissen haben“. Text- Bild-Schere nennt man das beim Fernsehen. Ist aber in diesem Fall nicht so schlimm, denn Men's Health ist eh ein Blatt des Konjunktivs: Für alle, die gern ein Büro hätten und gern mal einen Quickie machen würden.

Den Weg in die große, weite Welt der durchtrainierten Manager soll auch eine kleinformatige Broschüre zum Rausnehmen ebnen. Darin „50 Dinge, die jeder Mann wissen sollte“. So rät „der ultimative Ratgeber“ bei D wie Diebesgut: „Hinterlassen Sie ihren genetischen Fingerabdruck in Form eines Blutflecks auf dem Sitz. Mittels der DNA identifizieren Sie ihr Auto mit 99,999 prozentiger Sicherheit.“ Ähnlich praxisnah kommt auch das P für Pinkeln („aber richtig“) daher: „Bespritzen Sie sich beim anschließenden Händewaschen die Kleidung – und beschweren Sie sich darüber, daß der Wasserhahn wieder nicht richtig funktioniert.“

Der Leser von Men's Health müßte von geradezu schizoider Vielschichtigkeit sein: ein erfolgreicher Geschäftsmann, der aus Überzeugung im Stehen oder in sein eigenes Auto pinkelt, der den schnellen Seitensprung liebt und in seiner Freizeit lernen will, wie man Knöpfe annäht. Wenn man den gefunden hat, muß man ihm nur noch weismachen, daß die eigenen Fehler lediglich biorhythmisch bedingt sind. Oliver Gehrs